„Aber wenn es doch wahr ist……“
„Neu nein, nicht schon wieder! Ach Lewi, Sie immer mit Ihren fantasievollen Geschichten. Das glaubt ja doch keiner. Übertreibungen. Nichts als Übertreibungen.“ „Ich übertreibe aber nicht, ich….“ „Ja ja, ist gut. Aber damit können Sie ja auch ganz normalen Leuten einfach einen Schreck einjagen. Ist das etwa Ihre Masche?“ „Ich kenne keine normalen Leute. was meinen Sie denn für welche? So wie Sie? Und eine „Masche“ habe ich nicht nötig.“ „Na is ja gut, tun wir einfach mal so, als ob das nun tatsächlich so stattgefunden hat. Sie sorgen doch immer für Unterhaltung.“„Was war denn los?“ fragt Frau Würmling. „Haben Sie ihn gekränkt?“ „Nein, natürlich nicht. Ich habe nur meine Verwunderung ausgedrückt..!“ „Ihre Bewunderung? Na, da kann er doch froh sein.!“ „Er ist aber nicht froh, denn er wäre der letzte A…., den ich bewundern würde.“ „Und um was ging es nun wirklich, falls Sie mir das anvertrauen würden?“ „Ich vertraue gar nichts an. Ich will nur erzählen, was ich erlebt habe.!“ „Ach Sie, immer mit Ihren Erzählungen. Dann brauchen Sie sich ja auch nicht zu wundern.!“
Es ging darum, daß es einen Todesfall in der Familie gab, und ich kürzlich vom Amtsgericht des Wohnbezirkes des Verstorbenen benachrichtigt wurde, daß die nächsten Angehörigen das Erbe ausgeschlagen hätten und ich die nächstfolgende Erbberechtigte wäre. Ich könne aber die Erbschaft ebenfalls ausschlagen und zwar mit einer Frist bis zum 17. Oktober d.J. Dies könne ich bei einem Notar machen, der meine Unterschrift beglaubigt, oder auch bei meinem zuständigen Amtsgericht. Und da dachte ich in meiner Einfalt, ich nehme das Schreiben, gehe zum Amtsgericht, da sitzt jemand in der Auskunft, und der sagt freundlich oder weniger freundlich, je nach Stimmung, „na dann gehen Sie links die Treppe hoch bis in den zweiten Stock, Zimmer 223 und da tragen Sie dann Ihr Anliegen vor. Das ist das zuständige Zimmer für Ihren Wohnbezirk!“ Also, das war das was ich dachte. Mein Vater sagte aber schon immer wenn ich meinte, „Ich dachte“: Überlaß das Denken den Pferden, die haben einen größeren Kopf.
Die Öffnungszeiten entnahm ich dem Internet, und der Eingang war Möckernstraße 130, Amtsgericht Tempelhof – Kreuzberg. Diese Tür war aber leider verschlossen und ein mickeriges Schild unterrichtete mich, „Bitte den Eingang Hallesches Ufer 62 benutzen.“ Ein wirklich riesiger Gebäudekomplex ist dort entstanden und hat das alte Amtsgericht offensichtlich mit eingebunden. Ich bin also zum Halleschen Ufer 62 gelaufen und betrat eine vollkommen leere Eingangshalle ohne Plakate, Schilder, Hinweise, Menschen – einfach Leere. Diese Leere darf man aber nicht betreten. denn ein Justizbeamter, der linkerhand hinter einem Tresen stand, streckte schon seine Hand aus und fragte, was ich hier wolle. Ich hielt ihm das Schreiben vom Amtsgericht Neukölln entgegen und meinte, ich möchte vom zuständigen Amtsgericht für meinen Wohnort, also Tempelhof-Kreuzberg, meine Unterschrift beglaubigen lassen. Aha! Ein zweiter Beamter der Justiz (Blaue Windjacke, auf dem Rücken silbern in großen Druckbuchstaben: JUSTIZ) Damitte Beschaid waist, ne?) stand hinter dem L–förmigen Tresen und war damit beschäftigt, eine Art Reisetasche auszuräumen und sorgfältig zu untersuchen, in der wohl die Turnsachen des Verdächtigen waren, aber sehr sorgfältig wieder eingepackt wurden. Das habe ich mit Hausfrauenblick sofort erkannt. Wenn man nun dieses L verließ, sofern man dahinter stand, dann befand man sich in der großen Halle, wo eine Justizbeamtin den jungen Mann, dem die Tasche gehörte, gründlich mit ihrem seltsamen Gerät abtastete.
Ich beschloß, wieder zu gehen und sagte „Ach, dann gehe ich doch lieber zum Notar“ und wandte mich dem Ausgang zu. „Halt! Nein, das dürfen sie nicht. wenn sie schon drin waren ( 3 Meter hinter der Eingangstür) wissen wir nicht, was sie schon hereingebracht haben. Stellen Sie bitte Ihre Handtasche hier ab. Ich muß das untersuchen. Es wird nichts fehlen, das verspreche ich.!“ („Ich vertraue Ihnen, sie haben so schöne blaue Augen! Du A…..!“) Während der blonde mit den blauen Augen meine Handtasche filzte und so aussah wie man früher in den amerikanische Filmen gerne den bösen Deutschen in blond mit Hackfresse dargestellt hatte, fragte ich ihn mit meinem schönsten Lächeln, ob sein Beruf ihm Freude bereite. „Macht Ihnen Ihr Beruf eigentlich Spaß?“ war der präzise Wortlaut.Er ignorierte meine Frage und wollte wissen, ob ich metallene Gegenstände an oder in meiner Kleidung hätte. „Die Pistole habe ich draussen gelassen“ sagte ich ein bißchen aufsässig. „Haben Sie Metallgegenstände am Körper oder an der Kleidung? Die Justiztante war schon aufmerksam geworden und schwenkte erwartungsvoll ihr Gerät. Mein Gott, es war Sommer. Zwar nicht berauschend, aber immerhin. Ein Rock mit Gummizug, ein T-Shirt ohne Knöpfe, Ein BH mit 4 Ösen, eine Jacke mit drei Reißverschlüssen, gut sichtbar angebracht. Einer vorne zum zumachen und zwei Taschen, ebenfalls zum zumachen.
„Ist das alles?“ Ich förderte ein Tempotuch zutage und ach!: „Ich habe einen Euro in der linken Jackentasche.“ „Legen sie die Münze bitte hier her.“ Auf dem Tresen stand eine gelbe Box, in der eine ganze Menge Platz gehabt hätte. Derzeit war sie aber leer. denn außer dem jungen Mann und mir war kein weiterer geeigneter Kanditat vorhanden. Dann mußte ich den einen Euro in die gelbe Box werfen und hätte vor Lachen laut aufschreien können, wie mein kleiner hilfloser Euro in der großen gelben Box mutterseelenalleine rumkullern müßte ohne zu wissen, ob er je wieder in meine luxuriöse Jackentasche (BASLER) zurückkehren darf. Aber ich tat wie mir geheißen, weil ich immer noch im vorderen Bereich des Eingangs Hallesches Ufer 62 verharrte. Nun wurde ich über die sogenannte Trennlinie in den hinternen Bereich (3 Meter weiter) beordert und nochmals ernsthaft befragt, was an mir metallisch und nicht genannt worden sei. Meine linke Schulter ist gebrochen. „Ich habe eine Nagel in der Schulter und einen im Oberarm.“ „Den können Sie drin lassen. Den kann sie doch drin lassen?“ „Den kann sie drin lassen.“ Na, da habe ich aber noch mal Glück gehabt. Übrigens durfte ich die ganze Zeit über die Jacke anbehalten. Auch mein Nageletui wurde nicht bemängelt samt Feile, Pinzette und zwei Nagelscheren. Das Handy hatte man auch abgetastet, im Ernstfall hätte es mir aber nichts genützt, denn als ich in der Firma anrufen wollte um zu sagen, daß ich mich verspäte, war es tot.
Der nette blonde hatte nun eruiert, wo er mich hinverfrachten könnte und las in einem zerfledderten Handbuch, daß ich in der zweiten Etage Zimmer 205 an der richtigen Adresse sei „Folgen Sie immer dem roten Punkt, dann finden Sie schon hin.“ Plötzlich tauchte aus dem Nichts ein etwas vierschrötiger JUSTIZ silber auf blau auf und sagte zu den beiden anderen: “Ich bringe sie mal hin. Das findet sie doch nicht alleine.“ so führte er mich nun durch einen ellenlangen Korridor und meinte, am dessen Ende kämen wieder mehrere weitere Gänge, aber :“sehen Sie, da oben ist der rote Punkt“ ,(diskret unter der oberen Kante der ziemlich hohen Decke versteckt.) dann liefen wir mehrere Gänge rechts und links herum, dem roten Punkt hinterher, und nach langsamer Ermüdungserscheinung betraten wir einen Lift. Nachdem wir ausgestiegen waren, wanderten wir wieder kreuz und quer die Gänge entlang. Ich fragte, “sind wir nun im zweiten Stock?“ Nein, wir sind im ersten. „Wenn Sie eine Treppe sehen, dürfen Sie nicht glauben, daß sie nach unten führt. Sie verläuft jedesmal im Nichts. Was glauben Sie, wie viele Leute sich hier schon verirrt haben Wenn Sie sich hier verlaufen, finden Sie nicht mehr raus.!“ Na, das ist ja tröstlich! Da weiß ich doch wenigstens Bescheid. Und alles wegen einer Beglaubigung, daß ich „Ich“ bin.
Ganz versteckt und so unauffällig daß man daran vorbeilief, gab es einen Lift. Mit dem fuhren wir nun ein bißchen spazieren und dann waren wir im 2. Stock. Das sagte er jedenfalls, der Justizmensch. „Sie wissen, daß wir hier beim Familiengericht sind? Na, was hier los ist. Ich kann Ihnen sagen! Die kommen ja auch mit den Kindern hier her!“ „Mit den eigenen?“ „Wie meinen Sie das?“ Meine Aufmerksamkeit hatte längst nachgelassen. Vor einem langen Korridor blieb er stehen. „Hier gehen Sie lang. Am Ende finden Sie Zimmer 205. Lassen Sie sich bringen, sonst finden Sie nicht raus. Übrigens, hier ist das Familiengericht. Was glauben Sie, was hier los ist. Wir haben hier ja auch Inhaftierte. 3x habe ich schon eine Pistole gefunden.“ „Ja was denn, hier im Familiengericht?“ „Na dann-! Tschüss!“ Zweihunderzwei, zweihundertvier, zweihundertsechs Ende. Bei zweihundervier hing ein handgeschriebner Zettel an der Tür, bitte bei weihundertacht um die Ecke melden. Auf einmal erschien eine Dame aus dem Nichts. Aber sie kam vom Klo. Sie konnte sich nicht erklären, was ich so aufregend daran fände, daß Nummer zweihundert fünf nicht existiert. „Gehen Sie doch in zweihundertacht. Steht doch dran, dort melden.“ Auf einmal kam aus Zimmer zweihundertacht eine Dame, die auch genauso wie die andere mit einem Schlüsselbund rasselte. Die waren hier alle eingeschlossen. Von innen. Nun waren zwei Damen da, und ich zeigte mein Schreiben vom Amtsgericht Neukölln und unterbreitete nun,was mein Anliegen sei. Da unterhielten sie sich noch aufgeregt ungefähr 10 Minuten, und dann wurde es ernst. „Nehmen Sie bitte hier Platz. Sie sind hier auf dem Familiengericht. Die Amtspflegerin künmmert sich um Ihre Angelegenheit. Es dauert ein bißchen, Sie werden gerufen.
Da saß ich nun wie Emma auf der Banke und wußte meine Gedanken noch nicht so richtig einzuordnen. Der Raum, in dem ich nun saß, war vielleicht 6 x 6 m, in den die beiden Korridore mündeten. Es gab 2 Bänke mit je 4 Sitzplätzen, aber sonst nichts. Kein Papierkorb, kein Fenster, in die Decke eingelassen einige kleine Leuchten. Dann fiel mir auf, daß ich an keinem einzigen Fenster vorbeigekommen war und vollkommen orientierungslos nicht wußte, sähe ich zum Halleschen Ufer oder zur Möckernstaße oder zum Innenhof hinaus. Nichts. Na, jedenfalls, die zweite der beiden Damen von vorhin, die war nun zuständig und für das weitere Prozedere, was einen ganz gewöhnlichen Ablauf nahm, war nichts zu bemerken. Ich bat sie, mich zu begleiten, damit ich hier rausfinde. Die große Treppe am Ende, geht die zu einem Ausgang zum rdgeschoß? „Hier enden alle Treppen im Nirwana sagte sie. Sie vertraute mir noch an, daß ausgerechnet heute der Tag sei, wo sie es so eilig habe nachhause zu kommen und sich wirklich nicht versäumen dürfe. Sonst hätte sie mich ja doch ein Stückchen begleitet. Aber sie brachte mich vor ihre Zimmertür und sagte,“ Folgen Sie dem F“ Ich folgte also gehorsam mehrmals dem F und stand wiederum vor eine großen Treppe. Eine Dame! „Ach bitte, wie komme ich hier wieder raus!“ „Die Treppe können Sie nicht benutzen. Die endet eine Etage tiefer.“, „Aha!“ (Wenn du heulen willst, tue es später wenn du draußen bist. Jetzt nimm all deinen Verstand und deine Intuition zusammen, du Kamel. Nur dir passieren immer solche bekloppten Sachen! Und dann denke an die Wimperntusche – !“ (Na, wie rede ich denn wieder mit mir…!)
Ich suchte das F, versuchte ihm zu folgen und kam an eine sehr schmale, sehr hohe Treppe, die nach oben führte. Ein „F“. Es war wirklich eine steile hohe Treppe und ich hatte Beklemmungen, weil sie nicht durch einen Absatz unterbrochen war. Und dann nach oben anstatt abwärts. Aber, ganz ordinär ausgedrückt, Scheißdrauf, ich wagte es. Als ich oben angekommen war, stand ich schon wieder an so einem fragwürdigen Punkt und wandte mich nach links. keinen Meter von der Treppe entfernt war ein Fahrstuhlschacht. D, h., eine Fahrstuhltür. So ein Fahrstuhl, wie vorhin der Justiz-Fritze mit mir gefahren war. Ich drückte auf dem Knopf ,einskalte Überlegung, Logik…. Ich drückte „E“, Gleich rechts wieder ein Flur, einer nach links, dann eine Art Foyer, geradeaus weiter F gelber Punkt in der Mitte. ein winziges verblaßtes grünes Schild kurz unter der Decke. AUSGANG. Das war ein Nebenausgang aus dem alten Amtsgericht Möckernstraße. Erschöpft drückte ich die Klinke der alten dunklen Holztür herunter. Die Tür war verschlossen.
„Wenn verschlossen, bitte Nebenausgang benutzen“ war da ein Zettel an der Tür. „Die lieben hier Zettel“ dachte ich. Jedesmal, wenn ich irgendwo Zettel lese oder höre, denke ich an den Sommernachtstraum. Dann hatte ich den Nebenausgang entdeckt und dachte:“Was mache ich bloß, wenn der auch verschlossen ist, aber gerade in diesem Augenlick kamen zwei lustige Damen und sagten!“Ach, schon zu.“ Dann steuerten wir zu dritt auf den Nebenausgang zu, ein kleines Kabäuschen mit einer kleinenTür. Dunkel war‘s. Die beiden Damen werden den Ausgang sicher öfter benutzen, ich aber nicht, Sie sagten mir nicht, daß eine halben Meter vor der Ausgangstür eine halbe Stufe kommt. da bin ich dann abgerutscht und habe mir den rechten Knöchel verstaucht. Aber ich habe jetzt die beglaubigte Unterschrift, daß ich das Erbe ausschlage.
Übrigens, das ist keine unterhaltsame Geschichte, sondern die noch untertriebene Wahrheit. Wie in Trance bin ich nachher noch ein bißchen spazieren gegangen und habe andauernd überlegt, ob ich das alles nur geträumt hätte .Die Obentrautstraße entlang zur Yorckstraße. Und die Bescheinigung hatte ich ja auch. Doch doch, ich war in Berlin.
Auch später dachte ich daran, welche Gefühle sich wohl bei mir eingestellt hätten.
Angst war es nicht! Das war am Dienstag, dem 2. Oktober 2012
Ungefähr zwischen 14 Uhr 15 und 15 Uhr 45
Berlin, den 6. Oktober 2012/Lewi
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