Na sag mal….(Geschichten nach außerhalb) (2)

Na sag mal…. (Geschichten nach außerhalb)  (2)

(Wie ich schon sagte: Als mein Computer noch ganz neu war, schrieb ich mit Begeisterung alles Mögliche an die Familie und die Enkelkinder. Ich dachte nicht, daß die Zeit schon so lange zurück liegt. Nun habe ich die Kopien entdeckt, und da die Enkelkinder auch schon inzwischen erwachsen sind, müßt Ihr noch mal dran glauben, meine lieben  geduldigen Fans. Dieses Werk ist vom 28.7.2008)

In einem kleinen Buch in italienischer Sprache habe ich eine Geschichte entdeckt, die ich sehr hübsch finde, zumal ich früher von unseren Geschäftsfreunden jedes Jahr zu Weihnachten so ein Geschenk bekam.

La leggenda del panettone

Alla corte di Ludovico il Moro, signore di Milano….

Es ist ein Festtag, und in wenigen Minuten sollen zahlreiche eingeladene Gäste kommen. In den Sälen, die mit Wandbehängen, Teppichen, Möbeln und kostbaren Bildern wunderbar ausgestattet sind, steht alles zum Empfang der Gäste bereit. In den Küchen herrsch ein Hin und Her von Köchen, Küchenjungen, Dienern und Pagen. Das Essen beginnt. Die Tische sind prächtig gedeckt und die ersten Gänge werden aufgetragen. Gebratenes Fleisch, Wild, Hühner, Pasteten mit Gewürzen. Das Ganze wird umrahmt  von Gesang, Gelächter, Musik, Rufen. Jongleure unterhalten die Gäste mit ihren Darbietungen.

In den Küchen erlebt inzwischen der oberste Koch eine wahre Tragödie. Die sorgfältig vorbereitete Nachspeise ist mißlungen. Sie ist auf einem großen Silbertablett zum allgemeinen Entsetzen zusammengefallen. Niemand weiß, wie man diesem Mißgeschick abhelfen kann. Nur ein Küchenjunge verliert nicht den Mut. Er krempelt seine Ärmel hoch und knetet schnell in einem großen Gefäß ein Brot aus Mehl, Hefe, Zucker, Butter, Eier, Succade und verschiedenen Gewürzen. Als er schon das Brot in den Ofen schieben will, entdeckt er ein Gefäß mit Rosinen und schüttet diese schnell auch noch mit in den Teig hinein.

Während man in den Sälen die letzten Gänge aufträgt geht das Brot im Ofen auf, bekommt eine appetitliche goldene Farbe und verbreitet einen köstlichen Duft. Der Augenblick für die Nachspreise kommt unaufhaltsam näher. Der Küchenjunge, der sich hinter einem Vorhang versteckt hält, beobachtet mit ängstlicher Unruhe die Gäste an den Tischen. Er ist besorgt, wie sein Brot aufgenommen wird. Hinter ihm steht der noch sorgenvollere Oberkoch: wenn der Kuchen keinen Zuspruch erhält, werden die Folgen sicher fürchterlich sein.

Aber der Erfolg ist verblüffend und einhellig. Lärmend rufen die Gäste dem Hausherren zu, daß sie den Erfinder dieses ausgezeichneten, nie zuvor gekosteten großen Brotes gerne kennenlernen möchten. Der schüchterne und verlegene Küchenjunge wurde nun in den Saal geschoben, wo er mit großem Beifall und lauter Zustimmung empfangen wurde. „Wie heißt du?“ fragt Ludovico der Mohr. Errötend antwortet der Junge: „ich heiße Toni.“ Im allgemeinen Durcheinander kann man deutlich eine Stimme hören. „Wir werden diesen Kuchen ,Pan di Toni‘ nennen. Und unter diesem Namen = Panettone = hat der Kuchen seinen Weg um die Welt gemacht. Alle Jahre wieder. Und zwar vor allem zu Weihnachten erfreut er uns bei Tisch.

Luigi, Salvatore, Roberto, Antonio – keine Weihnacht ohne einen Panettone.

Und das mindesten zwanzig Jahre lang…..

Na sag mal….(Geschichten nach außerhalb) (1)

(Vor ein paar Jahren, 2008 oder 20o9, schrieb ich Kommentare und Geschichten an die in der Ferne ansässige Familie, um sie zu unterrichten und zu unterhalten. Nun habe ich sie wieder entdeckt (die Texte, und da sie trotz Zeitverschiebung noch gelten, stelle ich sie mal einfach ein. Wer Lust hat, liest sie halt, wer keine Lust hat, läßt es eben.)

Letztens sagt Samantha mir vergnügt, daß ihr Freund, der türkischer Abstammung, aber hier aufgewachsen ist, seinen P-Schein gemacht hat und auch sonst ein richtiger Berliner zu werden scheint. Und daß er es ebenfalls mit der Bildung hat und hochtrabende Worte wählt. Er hat sich „positioniert……“ Das fand sie nun wirklich ulkig. Dann fiel mir das Wort in einem Zeitungsartikel auf. Und vor ein paar Tagen im Fernsehen. Zwei Jäger oder Waldhüter, oder wer weiß, was die waren, ich habe nicht so aufmerksam hingehört, sind im Wald. Der eine hat einen Hochsitz erklommen und sich zurechtgerückt da oben (ist wohl etwas ungemütlich). Und der Sprecher sagt: nachdem sich Krause (oder wie der sonst heißen mag) auf dem Anstand  p o s i t i o n i e r t  hat….Also, man kann davon ausgehen, daß ein neues Wort in Umlauf gesetzt wurde.

Das heißt, das Wort ist ja nicht neu, nur die Anwendung. In meinem ganzen Leben bin ich damit noch nicht konfrontiert worden. Weder in der Presse ist es bisher verwendet worden und auch sonst ist es mir nicht begegnet. Also wird es bald nur noch Leute geben, die sich positionieren. Sich, den Salzstreuer und ihre Hausschuhe.

Genauso verhält es sich auch mit dem Equipment, das Einzug in den Sprachgebrauch gehalten hat. Eine mir bekannte sehr nette Dame hatte für ihren Sohn, der Hobbykoch ist, auch als Geburtstagsgeschenk Kochlöffel, Kelle, Topflappen und Sieb gekauft, um ihn zunächst mal mit dem notwendigen Equipment auszustatten. Eine Schürze war auch noch dabei, sonst wäre es wohl nicht vollständig gewesen. Denn wie soll man etwas Ordentliches kochen, wenn das notwendige Equipment nicht vorhanden ist.

Ob die neue Wortschöpfung von Claudia Roth auch bald Einzug in die Medien halten wird? Verunmöglicht war das neue Wort. Man wird schon noch passende Gelegenheiten finden, um es anzuwenden.  

(Berlin, den 14.11.2008)

„Herr Roderich im Walde“

Das findest Du nu unter die Gedichte,  denn dieses hier ist eben die Geschichte.

Das Geburtstagsgeschenk

Meine Stadt – meine Liebe

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZUM GEBURTSTAG (5)

Falls jemand zu der irrigen Annahme verleitet wird, es könnte sich um meinen Geburtstag handeln: mitnichten. Irgendein Herr in irgendeiner Position, der zu den Honorationen aus Zeuthen gezählt werden mußte, aber dem die Übersiedlung nach Westberlin bereits gelungen war, wurde ein Jahr älter, und meine drei Musketiere beschlossen, ihm aus alter Tradition ein Geburtstagsgeschenk zukommen zu lassen, was ihn ganz besonders als Erinnerung an alte Zeiten erfreuen würde. Womit man ihn besonders erfreuen könnte, stand bereits außer Zweifel.

„Also Hilde, sie gehen in die Eisenbahnhalle und holen von dem Fischhändler, der gleich den ersten Stand am Eingang hat, einen lebenden Aal. Der packt den gut ein, und dann bringen Sie ihn her. Einer von uns wird dann das Geschenk abgeben. Der Mann ist nämlich passionierter Angler. Wenn Sie wissen, was das bedeutet. Na, wie sollten Sie denn. Sicher nich. Nichwa?“ Also ging ich durch die Manteuffelstraße und dann über den Lausitzer Platz und in die Eisenbahnstraße und dann in die Markthalle und dann zu dem Fischhändler wie beschrieben und verlangte einen lebenden Aal. „Aber bitte gut einpacken!“ „Aber sicher Kindchen. Hier kaufen kleine Fräuleins am laufenden Band lebendige Aale. Achherrjeh. Wer hat dich denn jeschickt,, Kleene?“ „Na, mein Chef. Ist das denn gefährlich?“ „Nö, jefährlich isses nich!“ „Na also!“ Er faltete den lebendigen Aal zu einem S zusammen und packte ihn fest in Zeitungspapier ein und band sogar noch ein bißchen Strippe drumrum. Ich fand das eine Tierquälerei, aber ich hatte ja nichts zu entscheiden. „Am besten preßte‘n untern Oberarm, so. Feste andrücken, nich locker lassen. Haste es weit?“ „Na ja, Reichenberger -“ „Halt bloß jut feste, Mädel.!“

Unter meinem Oberarm randalierte der Aal wie verrückt und der Weg wollte kein Ende nehmen. Ich hatte nicht gewagt, den Arm zu lockern und hätte gerne geweint. Aber dann war ich doch endlich wieder im Büro angekommen. Ich bummerte mit der Fußspitze gegen die Tür und der Braune (Herr Rebs) öffnete sie .„Na hamse‘n“Fragte der Doktor.“Ja“ sagte ich, lockerte über dem Schreibtisch den Arm und ließ das Paket fallen. Es machte einmal flutsch und der Bindfaden schoß davon. Danach das durchnäßte Zeitungspapier und der Aaal wand sich, wild um sich schlagend, über den Schreibetisch, zog eine dünne Blutspur hinter sich her und landete auf dem Fußboden. Der Doktor saß kreidebleich am Schreibtisch und der Panzerkommandeur drückte sich in die Ecke hinter der Eingangstür. „Hillllde, fangen sie ihn ein“ hauchte der Doktor, und Schulze Willi, der die ganze Zeit schweigend hinten in der Ecke neben dem Schnellkocher und der Kaffekanne Schutz gesucht hatte, blieb stumm wie ein Fisch. Der Aal schlingerte über den Fußboden, und zwar bemerkenswert schnell. Hilde griff blitzschnell nach ihrer Handtasche, quetschte sich durch die Tür und rief heiser: “Ich hole Hilfe“, und von drinnen wurde die Tür schnell wieder geschlossen. „Hilde ging eine Treppe höher zu Herrn Minkwitz, erzählte kurz die interessante Story und bat ihn, als Retter in Erscheinung zu treten.Wobei noch zu klären war, ob er den Aaal oder das Militär retten sollte. Aber zunächst mal machte er gar nichts und sagte:“die lassen wir mal‘n biskin schmor‘n. hm?“ „Hm Hm“ griente ich. „Die hätten doch dem Angler ooch n‘ Bückling koofen können. Wat soll der denn jetz mit dem armen Tier anfangen!“ „Na, erst muß er es doch haben!“ „Haste ooch recht.!“ „Also, ich mach mir nichts aus Fisch!“

Am nächsten Tag ging ich mit gemischten Gefühlen zur Arbeit. Ich fürchtete Vorhaltungen und Zurechtweisungen. Im Geiste suchte ich schon Antworten auf noch nicht gestellte Fragen. Aber man soll‘s nicht für möglich halten. Es ist von niemanden auch nur mit einem einzigen Wort dieser Zwischenfall diskutiert worden. Am wenigsten von mir. Ich war froh, daß dieser Vorfall bereits der Vergessenheit anheim fiel. Und die anderen drei (Kriegs-) teilnehmer waren wohl auch froh, daß dieser Überraschungsangriff durch den Firniskocher abgewehrt
und letztlich wohl der Feind vernichtend geschlagen worden war,

Berlin, den 29. September 2012/Lewi

„Aber wenn es doch wahr ist….!“

„Aber wenn es doch wahr ist……“

„Neu nein, nicht schon wieder! Ach Lewi, Sie immer mit Ihren fantasievollen Geschichten. Das glaubt ja doch keiner. Übertreibungen. Nichts als Übertreibungen.“ „Ich übertreibe aber nicht, ich….“ „Ja ja, ist gut. Aber damit können Sie ja auch ganz normalen Leuten einfach einen Schreck einjagen. Ist das etwa Ihre Masche?“ „Ich kenne keine normalen Leute. was meinen Sie denn für welche? So wie Sie? Und eine „Masche“ habe ich nicht nötig.“ „Na is ja gut, tun wir einfach mal so, als ob das nun tatsächlich so stattgefunden hat. Sie sorgen doch immer für Unterhaltung.“„Was war denn los?“ fragt Frau Würmling. „Haben Sie ihn gekränkt?“ „Nein, natürlich nicht. Ich habe nur meine Verwunderung ausgedrückt..!“ „Ihre Bewunderung? Na, da kann er doch froh sein.!“ „Er ist aber nicht froh, denn er wäre der letzte A…., den ich bewundern würde.“ „Und um was ging es nun wirklich, falls Sie mir das anvertrauen würden?“ „Ich vertraue gar nichts an. Ich will nur erzählen, was ich erlebt habe.!“ „Ach Sie, immer mit Ihren Erzählungen. Dann brauchen Sie sich ja auch nicht zu wundern.!“

Es ging darum, daß es einen Todesfall in der Familie gab, und ich kürzlich vom Amtsgericht des Wohnbezirkes des Verstorbenen benachrichtigt wurde, daß die nächsten Angehörigen das Erbe ausgeschlagen hätten und ich die nächstfolgende Erbberechtigte wäre. Ich könne aber die Erbschaft ebenfalls ausschlagen und zwar mit einer Frist bis zum 17. Oktober d.J. Dies könne ich bei einem Notar machen, der meine Unterschrift beglaubigt, oder auch bei meinem zuständigen Amtsgericht. Und da dachte ich in meiner Einfalt, ich nehme das Schreiben, gehe zum Amtsgericht, da sitzt jemand in der Auskunft, und der sagt freundlich oder weniger freundlich, je nach Stimmung, „na dann gehen Sie links die Treppe hoch bis in den zweiten Stock, Zimmer 223 und da tragen Sie dann Ihr Anliegen vor. Das ist das zuständige Zimmer für Ihren Wohnbezirk!“ Also, das war das was ich dachte. Mein Vater sagte aber schon immer wenn ich meinte, „Ich dachte“: Überlaß das Denken den Pferden, die haben einen größeren Kopf.

Die Öffnungszeiten entnahm ich dem Internet, und der Eingang war Möckernstraße 130, Amtsgericht Tempelhof – Kreuzberg. Diese Tür war aber leider verschlossen und ein mickeriges Schild unterrichtete mich, „Bitte den Eingang Hallesches Ufer 62 benutzen.“ Ein wirklich riesiger Gebäudekomplex ist dort entstanden und hat das alte Amtsgericht offensichtlich mit eingebunden. Ich bin also zum Halleschen Ufer 62 gelaufen und betrat eine vollkommen leere Eingangshalle ohne Plakate, Schilder, Hinweise, Menschen – einfach Leere. Diese Leere darf man aber nicht betreten. denn ein Justizbeamter, der linkerhand hinter einem Tresen stand, streckte schon seine Hand aus und fragte, was ich hier wolle. Ich hielt ihm das Schreiben vom Amtsgericht Neukölln entgegen und meinte, ich möchte vom zuständigen Amtsgericht für meinen Wohnort, also Tempelhof-Kreuzberg, meine Unterschrift beglaubigen lassen. Aha! Ein zweiter Beamter der Justiz (Blaue Windjacke, auf dem Rücken silbern in großen Druckbuchstaben: JUSTIZ) Damitte Beschaid waist, ne?) stand hinter dem L–förmigen Tresen und war damit beschäftigt, eine Art Reisetasche auszuräumen und sorgfältig zu untersuchen, in der wohl die Turnsachen des Verdächtigen waren, aber sehr sorgfältig wieder eingepackt wurden. Das habe ich mit Hausfrauenblick sofort erkannt. Wenn man nun dieses L verließ, sofern man dahinter stand, dann befand man sich in der großen Halle, wo eine Justizbeamtin den jungen Mann, dem die Tasche gehörte, gründlich mit ihrem seltsamen Gerät abtastete.

Ich beschloß, wieder zu gehen und sagte „Ach, dann gehe ich doch lieber zum Notar“ und wandte mich dem Ausgang zu. „Halt! Nein, das dürfen sie nicht. wenn sie schon drin waren ( 3 Meter hinter der Eingangstür) wissen wir nicht, was sie schon hereingebracht haben. Stellen Sie bitte Ihre Handtasche hier ab. Ich muß das untersuchen. Es wird nichts fehlen, das verspreche ich.!“ („Ich vertraue Ihnen, sie haben so schöne blaue Augen! Du A…..!“) Während der blonde mit den blauen Augen meine Handtasche filzte und so aussah wie man früher in den amerikanische Filmen gerne den bösen Deutschen in blond mit Hackfresse dargestellt hatte, fragte ich ihn mit meinem schönsten Lächeln, ob sein Beruf ihm Freude bereite. „Macht Ihnen Ihr Beruf eigentlich Spaß?“ war der präzise Wortlaut.Er ignorierte meine Frage und wollte wissen, ob ich metallene Gegenstände an oder in meiner Kleidung hätte. „Die Pistole habe ich draussen gelassen“ sagte ich ein bißchen aufsässig. „Haben Sie Metallgegenstände am Körper oder an der Kleidung? Die Justiztante war schon aufmerksam geworden und schwenkte erwartungsvoll ihr Gerät. Mein Gott, es war Sommer. Zwar nicht berauschend, aber immerhin. Ein Rock mit Gummizug, ein T-Shirt ohne Knöpfe, Ein BH mit 4 Ösen, eine Jacke mit drei Reißverschlüssen, gut sichtbar angebracht. Einer vorne zum zumachen und zwei Taschen, ebenfalls zum zumachen.

„Ist das alles?“ Ich förderte ein Tempotuch zutage und ach!: „Ich habe einen Euro in der linken Jackentasche.“ „Legen sie die Münze bitte hier her.“ Auf dem Tresen stand eine gelbe Box, in der eine ganze Menge Platz gehabt hätte. Derzeit war sie aber leer. denn außer dem jungen Mann und mir war kein weiterer geeigneter Kanditat vorhanden. Dann mußte ich den einen Euro in die gelbe Box werfen und hätte vor Lachen laut aufschreien können, wie mein kleiner hilfloser Euro in der großen gelben Box mutterseelenalleine rumkullern müßte ohne zu wissen, ob er je wieder in meine luxuriöse Jackentasche (BASLER) zurückkehren darf. Aber ich tat wie mir geheißen, weil ich immer noch im vorderen Bereich des Eingangs Hallesches Ufer 62 verharrte. Nun wurde ich über die sogenannte Trennlinie in den hinternen Bereich (3 Meter weiter) beordert und nochmals ernsthaft befragt, was an mir metallisch und nicht genannt worden sei. Meine linke Schulter ist gebrochen. „Ich habe eine Nagel in der Schulter und einen im Oberarm.“ „Den können Sie drin lassen. Den kann sie doch drin lassen?“ „Den kann sie drin lassen.“ Na, da habe ich aber noch mal Glück gehabt. Übrigens durfte ich die ganze Zeit über die Jacke anbehalten. Auch mein Nageletui wurde nicht bemängelt samt Feile, Pinzette und zwei Nagelscheren. Das Handy hatte man auch abgetastet, im Ernstfall hätte es mir aber nichts genützt, denn als ich in der Firma anrufen wollte um zu sagen, daß ich mich verspäte, war es tot.

Der nette blonde hatte nun eruiert, wo er mich hinverfrachten könnte und las in einem zerfledderten Handbuch, daß ich in der zweiten Etage Zimmer 205 an der richtigen Adresse sei „Folgen Sie immer dem roten Punkt, dann finden Sie schon hin.“ Plötzlich tauchte aus dem Nichts ein etwas vierschrötiger JUSTIZ silber auf blau auf und sagte zu den beiden anderen: “Ich bringe sie mal hin. Das findet sie doch nicht alleine.“ so führte er mich nun durch einen ellenlangen Korridor und meinte, am dessen Ende kämen wieder mehrere weitere Gänge, aber :“sehen Sie, da oben ist der rote Punkt“ ,(diskret unter der oberen Kante der ziemlich hohen Decke versteckt.)  dann liefen wir mehrere Gänge rechts und links herum, dem roten Punkt hinterher, und nach langsamer Ermüdungserscheinung betraten wir einen Lift. Nachdem wir ausgestiegen waren, wanderten wir wieder kreuz und quer die Gänge entlang. Ich fragte, “sind wir nun im zweiten Stock?“ Nein, wir sind im ersten. „Wenn Sie eine Treppe sehen, dürfen Sie nicht glauben, daß sie nach unten führt. Sie verläuft jedesmal im Nichts. Was glauben Sie, wie viele Leute sich hier schon verirrt haben Wenn Sie sich hier verlaufen, finden Sie nicht mehr raus.!“ Na, das ist ja tröstlich! Da weiß ich doch wenigstens Bescheid. Und alles wegen einer Beglaubigung, daß ich „Ich“ bin.

Ganz versteckt und so unauffällig daß man daran vorbeilief, gab es einen Lift. Mit dem fuhren wir nun ein bißchen spazieren und dann waren wir im 2. Stock. Das sagte er jedenfalls, der Justizmensch. „Sie wissen, daß wir hier beim Familiengericht sind? Na, was hier los ist. Ich kann Ihnen sagen! Die kommen ja auch mit den Kindern hier her!“ „Mit den eigenen?“ „Wie meinen Sie das?“ Meine Aufmerksamkeit hatte längst nachgelassen. Vor einem langen Korridor blieb er stehen. „Hier gehen Sie lang. Am Ende finden Sie Zimmer 205. Lassen Sie sich bringen, sonst finden Sie nicht raus. Übrigens, hier ist das Familiengericht. Was glauben Sie, was hier los ist. Wir haben hier ja auch Inhaftierte. 3x habe ich schon eine Pistole gefunden.“ „Ja was denn, hier im Familiengericht?“ „Na dann-! Tschüss!“ Zweihunderzwei, zweihundertvier, zweihundertsechs Ende. Bei zweihundervier hing ein handgeschriebner Zettel an der Tür, bitte bei  weihundertacht um die Ecke melden. Auf einmal erschien eine Dame aus dem Nichts. Aber sie kam vom Klo. Sie konnte sich nicht erklären, was ich so aufregend daran fände, daß Nummer zweihundert fünf nicht existiert. „Gehen Sie doch in zweihundertacht. Steht doch dran, dort melden.“ Auf einmal kam aus Zimmer zweihundertacht eine Dame, die auch genauso wie die andere mit einem Schlüsselbund rasselte. Die waren hier alle eingeschlossen. Von innen. Nun waren zwei Damen da, und ich zeigte mein Schreiben vom Amtsgericht Neukölln und unterbreitete nun,was mein Anliegen sei. Da unterhielten sie sich noch aufgeregt ungefähr 10 Minuten, und dann wurde es ernst. „Nehmen Sie bitte hier Platz. Sie sind hier auf dem Familiengericht. Die Amtspflegerin künmmert sich um Ihre Angelegenheit. Es dauert ein bißchen, Sie werden gerufen.

Da saß ich nun wie Emma auf der Banke und wußte meine Gedanken noch nicht so richtig einzuordnen. Der Raum, in dem ich nun saß, war vielleicht 6 x 6 m, in den die beiden Korridore mündeten. Es gab 2 Bänke mit je 4 Sitzplätzen, aber sonst nichts. Kein Papierkorb, kein Fenster, in die Decke eingelassen einige kleine Leuchten. Dann fiel mir auf, daß ich an keinem einzigen Fenster vorbeigekommen war und vollkommen orientierungslos nicht wußte, sähe ich zum Halleschen Ufer oder zur Möckernstaße oder zum Innenhof hinaus. Nichts. Na, jedenfalls, die zweite der beiden Damen von vorhin, die war nun zuständig und für das weitere Prozedere, was einen ganz gewöhnlichen Ablauf nahm, war nichts zu bemerken. Ich bat sie, mich zu begleiten, damit ich hier rausfinde. Die große Treppe am Ende, geht die zu einem Ausgang zum rdgeschoß? „Hier enden alle Treppen im Nirwana sagte sie. Sie vertraute mir noch an, daß ausgerechnet heute der Tag sei, wo sie es so eilig habe nachhause zu kommen und sich wirklich nicht versäumen dürfe. Sonst hätte sie mich ja doch ein Stückchen begleitet. Aber sie brachte mich vor ihre Zimmertür und sagte,“ Folgen Sie dem F“ Ich folgte also gehorsam mehrmals dem F und stand wiederum vor eine großen Treppe. Eine Dame! „Ach bitte, wie komme ich hier wieder raus!“ „Die Treppe können Sie nicht benutzen. Die endet eine Etage tiefer.“, „Aha!“ (Wenn du heulen willst, tue es später wenn du draußen bist. Jetzt nimm all deinen Verstand und deine Intuition zusammen, du Kamel. Nur dir passieren immer solche bekloppten Sachen! Und dann denke an die Wimperntusche – !“ (Na, wie rede ich denn wieder mit mir…!)

Ich suchte das F, versuchte ihm zu folgen und kam an eine sehr schmale, sehr hohe Treppe, die nach oben führte. Ein „F“. Es war wirklich eine steile hohe Treppe und ich hatte Beklemmungen, weil sie nicht durch einen Absatz unterbrochen war. Und dann nach oben anstatt abwärts. Aber, ganz ordinär ausgedrückt, Scheißdrauf, ich wagte es. Als ich oben angekommen war, stand ich schon wieder an so einem fragwürdigen Punkt und wandte mich nach links. keinen Meter von der Treppe entfernt war ein Fahrstuhlschacht. D, h., eine Fahrstuhltür. So ein Fahrstuhl, wie vorhin der Justiz-Fritze mit mir gefahren war. Ich drückte auf dem Knopf ,einskalte Überlegung, Logik…. Ich drückte „E“, Gleich rechts wieder ein Flur, einer nach links, dann eine Art Foyer, geradeaus weiter F gelber Punkt in der Mitte. ein winziges verblaßtes grünes Schild kurz unter der Decke. AUSGANG. Das war ein Nebenausgang aus dem alten Amtsgericht Möckernstraße. Erschöpft drückte ich die Klinke der alten dunklen Holztür herunter. Die Tür war verschlossen.

„Wenn verschlossen, bitte Nebenausgang benutzen“ war da ein Zettel an der Tür. „Die lieben hier Zettel“ dachte ich. Jedesmal, wenn ich irgendwo Zettel lese oder höre, denke ich an den Sommernachtstraum. Dann hatte ich den Nebenausgang entdeckt und dachte:“Was mache ich bloß, wenn der auch verschlossen ist, aber gerade in diesem Augenlick kamen zwei lustige Damen und sagten!“Ach, schon zu.“ Dann steuerten wir zu dritt auf den Nebenausgang zu, ein kleines Kabäuschen mit einer kleinenTür. Dunkel war‘s. Die beiden Damen werden den Ausgang sicher öfter benutzen, ich aber nicht, Sie sagten mir nicht, daß eine halben Meter vor der Ausgangstür eine halbe Stufe kommt. da bin ich dann abgerutscht und habe mir den rechten Knöchel verstaucht. Aber ich habe jetzt die beglaubigte Unterschrift, daß ich das Erbe ausschlage.

Übrigens, das ist keine unterhaltsame Geschichte, sondern die noch untertriebene Wahrheit. Wie in Trance bin ich nachher noch ein bißchen spazieren gegangen und habe andauernd überlegt, ob ich das alles nur geträumt hätte .Die Obentrautstraße entlang zur Yorckstraße. Und die Bescheinigung hatte ich ja auch. Doch doch, ich war in Berlin.

Auch später dachte ich daran, welche Gefühle sich wohl bei mir eingestellt hätten.

Angst war es nicht! Das war am Dienstag, dem 2. Oktober 2012
Ungefähr zwischen 14 Uhr 15 und 15 Uhr 45

Berlin, den 6. Oktober 2012/Lewi

Ein hundsgemeiner Mord

(Mäxchen)

Als ich einmal längere Zeit im Krankenhaus lag, kam dann endlich der Tag, an welchen ich aufstehen durfte und weil es später Frühling war, auch im Park spazieren gehen konnte. Da traf man dann schon fast zwangsläufig immer wieder die gleichen Leute und es organisierten sich kleine Grüppchen. Wie in vielen Fällen üblich war dieses Krankenhais mit einigen Einzelhäusern über ein parkähnliches Gelände verteilt. Mein Zimmer, das ich mit einer anderen Patientin teilte, lag im ersten Stock des Gebäudes Nummer drei. Dicht vor unserem Fenster stand ein großer Baum. Was war das für einer? Weiß ich nicht mehr. Einige Zeit später fuhr der Blitz hinein.

Bei der Mittagsruhe ließen wir das Fenster offen; jeden Tag um die gleiche Zeit kam Mäxchen uns besuchen, Ein Eichhörnchen, das von dem Baumstamm mit Schwung auf die Hauswand sprang. Die Wand war mit grobem Rauhputz bedeckt, so daß es sich dort festklammern konnte. Dann hangelte sich Mäxchen zum Fenster herein, inspizierte das Fensterbrett von innen, wo ein Knirps deponiert war, damit man auch bei Regenwetter mal eine kleine Runde durch den Park machen konnte. Als Mäxchen sich davon überzeugt hatte, daß das wirklich nichts zum knabbern war, sprang er auf meinen Nachtisch und schaute auf den Wecker. Der tickte leise. Aber auch das hatte ihn nicht sehr beeindruckt, worauf er mit einem großen Satz auf mein Bett sprang. Da bekam er dann seine tägliche Nuß, und danach sah er sich noch einmal um und  entschwand gruß- und lautlos, wie er erschienen war. Dieses oder ein ähnliches Procedere hatte er sicher auch an anderen Fenstern erfolgreich angewandt: Man war prominent. Und beliebt. Ein Star.

In den hohen Bäumen nisteten viele Krähen, die zu dieser Jahreszeit wohl ihr Gelege bewachten und kampfesmutig jeden Räuber oder Eindringling vertrieben. Es kam der Tag, an dem wir vergeblich auf unseren Besucher warteten. Auch am nächsten Tag war weit und breit kein Mäxchen zu sehen.“Der hat sein Revier geändert“ meine meine Nachbarin.

Es gab ziemlich weit hinten ein Gelände, wo der Weg sich zwischen großen dunklen Bäumen hinzog, den gerne die Männer benutzen, um ungesehen mal eine Zigarette zu rauchen. Und auf diesem dunklen Pfad stieß man auf den vollständig zerhackten Kadaver von unserem kleinen Sonnenschein. (Vielleicht wollte er ja Eier klauen?) Die Rache aber war fürchterlich. Nach dieser unheilvollen Nachricht beschlossen einige Patienten, Mäxchen in Gedenken an die viele Freude, die er uns bereitet hatte, eine würdige Bestattung zukommen zu lassen. So verarbredeten wir uns zu Siebzehn Uhr an einer geeigneten Stelle für die Beisetzung. Mäxchen fand seinen letzten Aufenthalt in einem großen Schuhkarton, der mit schwarzem Seitenpapier ausgeschlagen war. Alle Männer waren nach Möglichkeit in dunkel bis schwarz gekleidet und die Frauen zogen auch ihre düstersten Klamotten an. Jemand, der sogar einen Zylinder organisiert hatte,  zelebrierte einen evangelischen Gottesdienst, und dann sangen wir gemeinsam, ich glaube es war:

„Ein feste Burg ist unser Gott, ein große Wehr und Wa- ha-  ha- fen,

und gegen Schluß der Feier:

„Großer Go- hott wir lo- ho- ben dich, Herr, wir prei- hei- sen dei-hei- ne Güte.“

Das war nicht ganz passend, aber es waren die einzigen beiden Kirchenlieder, die die meisten kannten. Dann folgten noch ein paar herzergreifende Reden, und jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Wir waren wirklich alle sehr  traurig und ergriffen. In diese augenblickliche Totenstille erhob sich eine Männerstimme und der Betreffende schaute forschend in die sich im Wind bewegenden Baumwipfel. „Also, ick weeß nich – von de Verwandtschaft hat sich übahaupt keena blicken lassen. Wie finde ick denn ditte! Det is doch schooflich, oda?“

Verständlicherweise lockerte diese Bemerkung die Stimmung beträchtlich auf, so daß wir gemeinsam ein in der Nähe gelegenes Restaurant aufsuchten und dann, wie es so üblich ist, dem sogenannten Leichenschmaus frönten. Aber ich denke, Mäxchen – niemand, der dich erlebt hat, wird dich jemals vergessen. Ruhe sanft!