Eine Tante, Klaviermusik und seltsame Geräusche

Der Herr Hans Joachum Krause
saß beim Frühstück noch zuhause,
weil man sich ja dann und wann
auch mal Ruhe gönnen kann.
Friedlich und in Einklang mit der Welt,
denn gestern gab es nun mal Geld.
Dem Redakteur brach deshalb fast Herz.
jedoch Krause ignorierte dessen Schmerz.
Die Gattin strich ein Hörnchen sich mit Butter
und sagte nebenbei:“ Ach Schatz, ich werde Mutter“!
Er blickte von der Zeitung auf, ganz ungerührt:
„Hast Du schon wieder mal den Briefträger verführt?“

Die Gattin zückte heftig nun das Buttermesser,
und Hajo fiel ihr in den Arm. „Es ist doch besser,
wenn wir uns nun gemeinsam freuen, Haselmaus.
Ich bleibe sicher öfter jetzt bei dir zuhaus“.
Schnell war der Friede wieder hergestellt.
Und zu den großen Rätseln dieser Welt
gehört, warum man einen Ehestreit vom Zaune bricht,
der oftmals heftig endet. Ach, das wollte man ja nicht.
Das hatte Hajo und die Haselmaus bewogen.
Sie hatten rechtzeitig die Notbremse gezogen.

Trotz allem mußte Hans-Joachim Krause
inzwischen leider fort, weg von zuhause.
„Vergiß nicht, deine Mütze aufzusetzen,
wenn dich die vielen Sensationen hetzen“
rief seine Gattin ihm im Scherz noch hinterher.
Ach ja, das Leben war mal leicht und öfter schwer.
In einer Gegend, wo nur kleine Leute, Spießer, wohnen –
wo gab es dort denn schon andauernd Sensationen!
Die fanden nämlich meistens ganz woanders statt.
Und wenn man dann nicht mal nen Informanten hat….

Besonders schwer ist ja der Broterwerb in diesen Tagen.
Man muß sich wirklich täglich außerordentlich plagen.
Er mußte noch zu seinem Chef, der wollte eben
dem Hans-Joachim noch nen weisen Ratschlag geben.
An seiner Pfeife, die nicht brennt, zieht nun der Redakteur;
pff…,mein lieber Krause, pff…die Zeiten, pff…die sind schw…ör!
Wenn es an Sensationen mangelt, pff…, heiße Sachen…
da müssen Sie- pffff…die Sensationen eben selber machen! Pfff. !
Nun entwickeln Sie mal n’ bißchen Fantasie, nich wa!
Dazu mein Junge pff.. sind Sie ja schließlich da.. pfff…..!

am liebsten fahre ich sofort zurück nachhause.
Jedoch dann siegt das ausgeprägte Pflichtgefühl.
Tja, Sensationen. Davon gibt es heutzutage nicht so viel.
In unsrer Zeit kann man mit Nichts mehr imponieren.
Man müßte mal n’ Außerirdischen entführen…!
Der Gedanke machte ihm auf einmal viel Vergnügen.
Verdammt – ich muß nur noch n’ guten Einfall kriegen!
Nachdenklich tastet er nach seiner Mütze,
ob sie auch fest und an der richt’gen Stelle sitze.

Nun ja. Sie sitzt schon an der richtigen Stelle.
Aber einfach so, ganz auf die Schnelle,
da fällt einem ja auch nichts Rechtes ein.
Es wird deshalb wohl auch am Besten sein,
ich werde heute Tante Minchen mal besuchen.
Da gibt es nachmittags stets Kaffee und auch Kuchen.
Tante Minchen lebte sehr gediegen in einer Residenz.
Da zog sie ein , nachdem der Gatte starb. Im letzten Lenz.
Man sagte oft, die Tante wäre manchmal etwas wunderlich.
„Na, wenn schon. Wer hat keinen Klaps. Mich stört es nicht.“

Der Hajo sah ja solche Dinge wirklich sehr gelassen.
Er mußte ständig Sensationsartikel doch verfassen,
da ging es nun tatsächlich auch recht oft sehr seltsam zu.
Denkt man nur mal an Lieses Reise. Sie war eine Kuh!
Ein Sträußchen ging er noch besorgen und Konfekt,
die Sorte selbstverständlich, die der Tante schmeckt.
Dann fuhr er, froh gestimmt, zur Residenz ‚MILANO’,
und hörte schon von weitem die Musik. Man spielt Piano.
Da konnte im Salon die Tante er auch gleich besuchen.
Sie lauschte hingerissen, trank Kaffee und aß Kuchen.

Sie hob den Zeigefinger warnend an die Lippen.
Nicht stören. Ein kleines bißchen tat sie dennoch nippen
an ihrer Kaffeetasse. Bröckelte auch etwas ab vom Kuchen.
Schließlich mußte sie ihn ja zunächst erst mal versuchen.
Als das Piano schwieg, posaunte sie aus voller Lunge:
„Daß du dich auch mal wieder sehen läßt, mein Junge….!“
Der Kaffee war noch heiß, er schmeckte und war stark.
Ein Stückchen Kuchen? Später ging man in den Park.
Da gab es sanfte Schatten unter hohen alten Bäumen.
Man konnt’ lustwandeln oder auf ner Banke träumen.
„Hier habe ich es wirklich gut“ sagt Tante Minchen leise,
lacht glucksend, fast geräuschlos, auf ganz besondere Weise.

„Hier gibt es keine bösen Pflegerinnen, keine Pfleger,
Hier kommt höchstens ab und zu der Kammerjäger.
Man hat seinen Frieden, seine Ruhe. Das ist angenehm.
Ach .lieber Junge, ja! Hier lebt es sich besonders schön.
„Warum auch nicht“ sagt Hajo höflich obenhin.
Für ihn ergibt der Text nicht unbedingt nen Sinn.
Die Tante lebt ja gut hier in der Residenz ‚MILANO’
Musik gibt’s auch, denn Jemand spielt Piano.

„Ich habe zu Dir wirklich grenzenlos Vertrauen.
Du wirst mich doch nicht etwa in die Pfanne hauen?
Ich habe ein Geheimnis, und das muß ich wahren.
Die Sache ist ein bißchen undurchsichtig und verfahren.“
„Na, dann schieß los, ich höre zu und werde schweigen.
Vielleicht kann ich dir später einen Ausweg zeigen.“
„Hier sind wir bald an einem kleinen Ententeich.
Da steht auch eine Bank, da setzen wir uns gleich.
Da schauen wir dann ganz entspannt den Enten zu,
und ich erzähl’ dir, Hans-Joachim, alles ganz in Ruh’!“

< Du lieber Himmel, was wird mir noch alles widerfahren! Ich höre einfach zu und werde meinen Atem sparen >
Und beide sitzen endlich nun am See auf einer Bank
und stöhnen herzergreifend unisono „Gott sei Dank!“
„Nun, altes Mädchen, schieß mal endlich los, nicht wahr,
sonst sitzen wir hier auch noch bis zum nächsten Jahr!“
„Nun gut. Weißt du, ich höre Stimmen. Ziemlich oft!
Das es mal aufhört, habe ich vergebens längst gehofft.
Diese Stimmen reden manchmal über schlimme Sachen,
die mir großes Unbehagen, Kopfzerbrechen machen!“

Der Hajo liebt ja Tante Minchen, doch ergreift ihn Grausen.
Was hat die alte Dame denn in ihrem Kopf für Flausen.
„Wo kommen denn die Stimmen her, und wann?“
(Na, fangen wir mal ganz behutsam mit den Fragen an).
„Na, oft spät abends flüstern sie und schmieden Pläne.
Sie kommen hinterm Schrank hervor, so daß ich stöhne,
ganz außer mir und aufgeregt vor Angst und Schreck.
Und manchmal lachen sie gemein, dann sind sie weg!“
„Das hört sich alles ja auf jeden Fall sehr eigenartig an,
was man hier in der Residenz ‚ MILANO’ so erleben kann.“

Der Hans-Joachim schaut die Tante forschend an.
Ob man ihr wohl ein kleines bißchen glauben kann?
Mit Mißtrauen würde er sie sicher tief verletzen.
Er steht kurz auf, um sich gleich wieder hinzusetzen.

„Sag’ mal, die Stimmen – sind immer es die gleichen?
Können sie dich mit gleicher Lautstärke erreichen?
Wechseln die Stimmen sich ab? Ist eine Frau dabei?
Wie viele Stimmen sind es? Sind es viere, sind es drei?
Worüber reden Sie? Kannst du das auch verstehen?
Das Rätsel muß zu lösen sein. Das woll’n wir ja mal sehen.“

„Ja ja, ich weiß, du denkst bestimmt, die Alte spinnt.
Ich spinne nicht. Wer weiß, woher die Stimmen sind.!
Ich glaube es sind vier. Und eine Stimme ist sehr tief.
Es ist die von dem Kerl, nach dem man August rief!“
Für heute war es wohl genug. Es wurde kühl am Teich.
„Ich muß jetzt aber gehen. Ich verschwinde gleich.
Laß uns noch eine Weile, liebes Tantchen, schweigen.
Was dies bedeutet, wird sich schon noch zeigen!“
Er küßte Tante Wilhelmine erfurchtsvoll die Hand,
dann machte er recht lange Schritte und verschwand.

Verwirrt ist diese Tante nicht. Hatte sie eine Meise?
Altersschwachsinn zeigt sich auf verschiedne Weise.
Hatte sie den Drang, sich interessant zu machen?
Dachte sie sich etwa aus die ganzen dummen Sachen?
Doch dann hätte sie es sicher nicht nur ihm erzählt.
Sie hatte sich damit schon eine Weile rumgequält.
Viele Dinge konnte man mitunter nicht verstehen.
Doch gab es sie. Man hat schon Pferde kotzen sehen.
So fuhr er bis zur nächsten Pinte und bestellte sich ein Bier.
Es war ja Nachmittag. Schon wieder mal halb Vier.

Dann fuhr er noch mal in die Redaktion. Mal sehen,
ob zwischenzeitlich irgend etwas Wichtiges geschehen.
Klawitter saß da rum, schlecht gelaunt, verdrossen.
Renate hatte Kaffee ihm aufs Hosenbein gegossen.
„Was ist denn los, ist euch die Petersilie denn verhagelt?“
„Ach, zum Heulen. Alles ist mal wieder wie vernagelt.
Es gibt seit einiger Zeit hier eine freche Diebesmeute,
die beklaut in großem Stil geschwind die Leute.
Alles gut geplant. Zack zack, geklaut und weg.
Nichts bleibt den Leuten mehr, nur noch ein großer Schreck…!“

„Mich laust der Affe wenn ein kleiner Floh mich beißt.
Ich wette, daß der Räuberhauptmann August heißt!“
Der Hans-Joachim sagt es lachend so zum Schein
nur eben mal ganz unverbindlich in den Raum hinein.
Klawitter nun jedoch sagt seufzend und wird blaß:
„Ja, ja, Herr Krause, aber woher wissen Sie denn das?!“
Nun, Ha-Jo ist, wie man so sagt, eine ehrliche Haut,
dem man auch manche Dinge schon hat anvertraut,
die sehr geheim und nicht gehör’n an große Glocken.
Da war so mancher schon erstaunt und von den Socken.

Er schnappt Klawitter:. „Kommen Sie, wir müssen reden.
Was ich zu sagen habe ist nicht bestimmt für Jeden!“
Tante Minchen gehen beide öfter nun besuchen
mehr zum Abend hin. Tee und Wurststullen. Keinen Kuchen.
Einmal klappt es. Stimmen werden (nicht besonders) laut.
Ein Glück, daß Ha-Jo Tante Minchen hat vertraut.
Man kann die Herren, die da reden, wunderbar belauschen,
wenn sie Pläne machen und Erfahrung tauschen.
Man weiß Bescheid, man ist bereit, das ist ja prima,
und Tante Minchen triumphiert und sagt entzückt: na sieh’ ma!

Ein stillgelegtes Abflußrohr war nicht verschlossen.
Es war bisher nie wieder Wasser durchgeflossen.
Es lag nur umgebogen auf der Scheuerleiste.
Die Handwerker, die pfuschen alle, weißte.
Na jedenfalls, Klawitter fing verdienstvoll diese Bande
und Ruhe herrschte wieder nun für kurze Zeit im Lande.
Hans-Joachim machte daraus eine wilde Storia,
der Redakteur verteilte segnend Glanz und Gloria.
Die Haselmaus war stolz auf ihren Gatten.
S’ gab wenig Frauen, die ein Prachtstück hatten,

das sich mit ihrem Hans-Joachim konnte messen.
Das darf man schließlich ja auch nicht vergessen!

 

Immer diese Fremdwörter

Immer diese Fremdwörter……..

Der Meister war begeistert über seinen neuen Mitarbeiter. Vom alten Schrot und Korn, zuverlässig, fleißig, pünktlich. Und außerdem ein Könner, denn er hatte Freude an seinem Beruf. Allerdings war er schon etwas älter, aber sehr gesund, rüstig und gleichbleibend freundlich und geduldig..

Na, der Meister war gerade dabei,  eine neue Strategie zu entwickeln, um ein paar Einnahmen am Finanzamt vorbei zu dirigieren und einige Prioritäten zu setzen. Denn die Meistersgattin hatte nun langsam die Nase davon voll, das ständige „das geht nicht, wir müssen sparen“ zu hören, und so forderte sie also energisch, sie gefälligst bei seiner Strategie mit einzubeziehen.

Der freundliche Herr Reithemeyer sah natürlich sofort ein, daß er hier kein  angemessenes Gehalt nach seinem Können und Wissen erwarten konnte, „denn der Arbeitsmarkt….na ja. Und Sie sehen ja, in Ihrem Alter, nicht wahr – und man wurstelt ja so vor sich hin um zu überleben, nicht wahr. Man ist ja froh, wenn man Aufträge bekommt, gute Aufträge. „Wenn man sein Handwerk versteht, sollte das ja nicht so schwer sein. Ordentliche Arbeit, ordentliche Aufträge, ordentliches Geld.!“ „Mein Gott, wo leben Sie denn, Herr Reithemeyer, Das war vielleicht früher mal so. Heutzutage müssen Sie zunächst mal repräsentieren, nicht wahr. Da achten die Auftraggeber sofort darauf, wen sie da so vor sich haben. da müssen Sie schon mal einen gewissen Eindruck hinterlassen, nicht wahr. Und aufpassen, daß sie nicht unterbieten. Sie müssen überbieten. damit für den Auftraggeber dann auch noch ein kleiner Reibach herauskommt, nicht wahr. Ach was glauben Sie denn, heutzutage will ja jeder leben, nicht wahr, „Ich auch, nicht wahr“ sagte Herr Reithemeier leise vor sich hin.

Da nun einige Zeit das Geschäft tatsächlich flutschte, wie man so schön im Volksmund sagt, hatte der Chef seine Strategie zwar nicht geändert, aber im wesentlichen doch die Prioritäten anders gesetzt. Zunächst einmal konnte er wegen der „angespannten Geschäftslage und der allgemeinen Zahlungsmoral“ Herrn Reithemeyers Gehalt nicht aufbessern, denn die Umsatzsteuer für das letzte Quartal war noch nicht bezahlt. Auch mußte er noch den Zweitwagen finanzieren. weil seine Frau sich weigerte, die Kinder zu Fuß zur Schule zu begleiten, denn die Mutter von Annekes Freundin Karoline schaute immer ziemlich abfällig auf die Gattin eines Handwerksmeisters, der seiner Frau noch nicht mal ein Auto kaufen wollte oder konnte. Zumal sie ja auch noch Einkäufe zu tätigen hatte und sich mit den Einkaufstüten abschleppte. „Das hat man mir an meiner Wiege nicht gesungen“ bemerkte sie oft mit einem bitteren Unterton. Na, diesbezüglich war ja nun wohl inzwischen wieder etwas eingelenkt worden und er durfte ab sofort wieder im Schlafzimmer übernachten, wie er Herrn Reithemeyer anvertraute. Dem es aber, im Vertrauen gesagt, vollkommen Schnuppe war.

Nun ergab es sich, daß der Hausnachbar, Herr Winkelmann, seinen hellgelben Mercedes verkaufen wollte, der aussah wie eine fahrbare Zitrone, aber fast nagelneu und sehr gepflegt. Herr Winkelmann war vor kurzem Witwer geworden, aber seine Tochter aus erster Ehe lebte in den USA, und da zog er nun zu ihr. „Und da drüben werde ick mir ein neues Auto anschaffen. Autos ham‘se ja janz vorzeigbare; und der Schwiegersohn wird sicher seine Beziehungen haben. Da hab ick keene Angst vor. Das war natürlich die Gelegenheit, „den Vogel abzuschießen“, zumal man nun nicht immer mit dem zwar attraktiven, aber immerhin mit dem beschrifteten Firmenwagen herumfahren mußie. Und die Zitrone – „na erst mal testen, wie det ankommt. Notfalls lackiert man eben um. Kost ja ooch nich die Welt.

Zwei schöne Aufträge lockten dank der Wertarbeit Herrn Reithemeyers, So daß der Chef ihm eine kleine Prämie gewährte und Kilometergeld zahlte. Da kam er ja nun nicht drum herum, obwohl man ja so Kleinigkeiten auch gelegentlich wegrationalisieren konnte. Alles auf das Notwendigste beschränken, Herr Reithemeyer, Das ist die Strategie – glauben Sie‘s.

Bevor sich Herr Winkelmann über den großen Teich davon machte, wollte er seine Reisekasse noch auffrischen und hatte „wirklich für‘n Appel und ‘n Ei seine Ferienwohnung in Warnemünde preiswert angeboten. „Das is‘n Schnäppchen Lucie, da konnte ich nich nein sagen. Und denn für Dich und die Kinder. Wat sachste nu? Also, die Bank macht es. Da habe ich schon meinen Sachbearbeiter gefragt. „Selbstredend, keine Hürde-!“ hatta jesagt.“  „Und wo nehmen wir das Geld her? Fragte Lucie etwas irritiert. „Na, ich dachte, dein Bruder – der hat es doch. der leiht uns was. Da habe ich keine Angat.“ „Ja“, sagte Lucie. Leihen wird er uns was. Aber nicht ohne Zinsen. Und gegen punktliche Abzahlung. „Keine Hürde, Lucie. Kleinigkeit. Mache ich mit links, wirste sehen.“

Nun drohte das Finanzamt mit Vollstreckung und der Schwager lieh eine beträchtiche Summe. Angesichts dieser mißlichen Lage konnte ja nun Herr Reithemeyer beim besten Willen keine Gehaltsaufbesserung erwarten. „Für uns alle sind die Zeiten schwer, Herr Reithemeyer!“ „Wem sagen Sie das“ meinte dieser und nickte verständnisvoll mit dem Kopf.

Anderntags rief der Chef Herrn Reithemeyer ans Telefon, weil ein Auftraggeber mit ihm etwas besprechen wollte. Herr Reithemeyer hörte eine Weile schweigend zu und sagte: “Das wird sich machen lassen“ „Was hat er denn gewollt!“ „Ach, er hatte da so eine Idee-!“ Der Chef lehnte sich weit zurück in die elastische Rückenlehne seines Schreibtischsessels und streckte die Beine weit von sich, faltete die Hände im Nacken zusammen und sagte grinsend: „Wichtig, mein Lieber, ist es,eine tragbate Strategie zu entwickeln. Und wasserfest muß ‘se sein. Hahaha, tragbar und wasserfest. ‘N Eimer sozusagen, hahaha, nich wahr. Und man darf sich eben auch nich die Gelegenheiten entgehen lassen. Kommt Zeit, kommt Rat, nich wahr. Warum sehen se denn so zerknittert drein, Reithemyer?“

„Mein Rheuma macht mir sehr zu schaffen. Ich werde morgen zum Arzt gehen und mich krank schreiben lassen!“ „Sehen Se, was ich immer sage. Die alten Knochen, die machen es nicht mehr. Also wenn Se wollen – Ich habe da zwei jüngere Berufsanfänger, da bekomme ich zweie für einen. Strategisch is das ja auch nich zu verachten, nich wahr? Also scheiden wa in Frieden, nich wahr. Die beiden Jungen nehm‘ ich tüchtig ran. Man muß Prioritäten setzen, wissen se. Anders läuft der Hase nich. Meine Frau braucht übrigens ‘ne neue Waschmaschine. Ick hatte ihr kürzlich doch erst so‘n Bügelautomat bewillicht. Braucht man denn allet sowat! Na ja, die Zeiten ändern sich eben.“

Nun hatte Herr Reithemeyer bei einem einkalkulierten Aufraggeber, der ja leider nun entfiel, die Oberaufsicht über eine lukrative Baustelle übernommen und Herr Plassner, ein freundlicher weißhaariger Herr, der sogar noch um ein etliches älter war als Reithemeyer, war sehr angetan und die beiden Herren arbeiteten ohne viele Worte Hand in Hand. Und wenn abends die Sonne sank, konnte man die beiden schon mal auf einem Balken sitzen sehen mit einer Flasche Bier in der Hand. Und dann erzählten sie sich was.

Reithemeyer erinnerte sich an seinen alten Chef und mußte grinsen. „Was haben Sie denn für eine Strategie?“ fragte er. „Eine was? Kommen Sie mir nicht mit solchen Sperenzchen. Hier wird gearbeitet, und zwar hintereinander und ordentlich. Und wenn die Arbeit fertig ist und abgenommen, wird gefeiert. Und dann: auf ein Neues!“ „So einfach ist das?“ grinste Reithemeyer noch immer. Plessner sah ihn irritiert von unten herauf an. „War ja nur‘n Scherz. Is aus so einer Comicserie.“ „Ach so, hab‘ mich wirklich gewundert. Prost!“ Und dann knallten sie ihre Bierflaschen gegeneinander.

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Noch ist Polen nicht verloren…

Noch ist Polen nicht verloren……

Das Zitat, ein Sprichwort in diesem Sinne ist es ja nicht, ging mir an diesem Tag ständig im Kopf herum, als wenn das Tonbandgerät einen Defekt hat und fortwährend wieder von vorne beginnt, ohne über den ersten Satz  hinwegzukommen.

Einer plötzlichen Eingebung folgend und weil das Wetter schön zu bleiben versprach, beschloß ich, den Schloßpark Charlottenburg einmal wieder zu besuchen und danach noch einen schönen Spaziergang zu machen und in einem mir bekannten italienischen Restaurant in der Charlottenburger Schloßstraße (gibt ja einige Schloßstraßen) dann etwas „Besonderes“ zu Abend zu essen.

Die U-Bahn-Linie U 7 hat 40 Stationen und ist 31,8 km lang. Von Rudow nach Spandau. Von Ost nach West, aber dahinter ist Berlin noch längst nicht zuende. Ich muß jedoch erst mal von Süd bis Mitte, um in diese Linie umzusteigen. Also, da wird man ja schon bißchen dösig. Mehringdamm hatte ich die Linie gewechselt und dann im Zug nach Spandau die Augen zugemacht, da ich ja eine ganze Strecke fahren mußte. „Bayerischer Platz“ machte ich sie mal kurz auf, denn ein junger Mann, der Roman hieß, bat um eine Spende, um endlich mal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen und das Hotel kostete 40.– Euro und essen muß er ja auch noch. Na ich machte die Augen erst mal wieder zu und die Ohren auch, bis „Adenauer Platz“, wo Johannes zustieg, verkündete, daß er zur Zeit noch studiere und sich ein Zubrot verdiene, in dem er die Leute in der Bahn und in Restaurants mit deutscher Romantik konfrontiere, bombardiere und unterhielt. Also, „unterhielt“ war seine Ansage. Dann lehnte er sich an eine Haltestange, hob die Stimme und begann:“ Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp….. einen goldnen Becher werf ich hinab…..

Ich machte noch mal die Augen zu, Ohren ging nicht, denn er wollte ja das ganze Abteil mit seinem Vortrag erreichen. Und das war der durchgehende Endloszug, der mindestens acht Waggonlängen hatte. Na, bleib mal munter Hildegard, sind noch 2 oder drei Stationen, dann mußte noch mal umsteigen. Ich lauschte auf das Geräusch der sich öffnenden Türen, denn bei einem Halt wurde auf dem Bahnsteig ja die Station ausgerufen. So druselte ich noch kurz vor mich in, bis ich einen sanften Stoß in die Seite bekam und ein rothaariger Halbwüchsiger in Jeans, kariertem Hemd und darüber einem selbstgestricken ärmellosen Pulli grinsend sagte: „Haste denn keen Bette, Mütterchen? Endstation!“ Also, jetzt war ich aber munter und der grinsende Bengel zwinkerte mit den Augen und eilte der Rolltreppe entgegen. Unten auf dem U-Bahnhof gibt es einen winzigen Imbiß, da trank ich erst mal einen Kaffee und aß ein Buttterhörnchen.

Nachdem ich meine sieben Sinne geordnet hatte, fuhr ich mit der Rolltreppe in‘s Tageslicht und kam an der Seite wieder raus, wo die Buslinien nach außerhalb fuhren. Einige von ihnen fahren im Zwanzigminutentakt, andere alle 10 Minuten. Ja, was mache ich denn nu? Das, was ich sonst auch mache, wenn ich mir nichts bestimmtes vorgenommen hatte. Ich fahre mit dem ersten Bus oder Zug oder Tram, und, na mal sehen, wo se hinfährt. Berlin ist ja soooo groß, da kommt man immer an ungekannte Ecken und macht neue Entdeckungen. Und ziemlich abenteuerlich kann das mitunter auch werden. Aber danach…., „Also, nu weißte Bescheid, ne?“

An den Haltestellen war es proppenvoll und mindestens drei bis vier Busse hintereinander halten immer in kurzen Abständen. Unglaublich viele Leute steigen ein und die Busse sind sofort voll, denn sie transportieren die Leute aus den weiter entlegenen Vororten nachhause. Ich hatte den Pichelsdorfer erwischt und fuhr die Klosterstraße, Wilhelmstraße und dann ein Stück weit die Pichelsdorfer Straße entlang, wo man sich plötzlichn in einem richtigen Kietz befand. Ich stieg erst mal aus und sah mir in einem Teppichladen die Auslagen an und fand einen Teppich besonders schön. In der Schaufensterscheibe spiegelte sich eine Gestalt, die mir freundschaftlich auf die Schulter tippte und unter der roten Tolle und den hellblauen Augen mit einem Grinsen von einem Ohr bis zum anderen meinte: “Orientierungslos, was? Find‘ste denn ooch wieder janz allein nachhause?“ Na, auch mein Humor hat Grenzen und ich überlegte, was ich dieser frechen Rübe antworten sollte, aber da meinte er gleich mit seinem betörenden Grinsen: „Um die Ecke is‘n kleenes Café, da kann man draußen sitzen und quatschen, und denn quatschen wa mal bißken, wenn‘de mir n‘ Eiscafé spendierst.“

Ich hätte nicht gedacht, daß ich auch mal so schnell platt bin und so machte ich nur eine Handbewegung nach vorne und dann gingen wir um die Ecke und setzten uns in einen kleinen Vorgarten und ich bestellte zwei Eiscafé. Dann erzählte er mir, er heiße Rudi, ist 23 Jahre alt (ich hatte ihn auf sechszehn geschätzt, denn er war drahtig aber trotzdem irgendwie zierlich.) Er studierte und wollte Journalist bzw. Reporter werden und ja, er ist manchmal bißchen kess, weil er eigentlich Berührungsängste hat und dann schlägt er eben manchmal über die Stränge. Und da hatte er also mich ausgesucht oder besser, er mußte ja nicht mal suchen, ich saß ja neben ihm. Und da wußte er sofort, die Frau hat Humor. „Ach, woran sieht man das denn?“ „Na, du hast die ganze Zeit im Schlaf immer gelächelt. Mal bißchen mehr, mal bißchen weniger. Aber immer gelächelt. Da ist man doch keen Besen, oder? Und denn habe ich mir so jedacht, probier mal ob se aus de Haut fährt. Biste aber nich, Und nun sitzen wir hier.!“

„Also, ich hab‘ dich nich verfolgt, ich wohne hier. Und jetzt muß ich nachhause, essen. Sonst meckert meine Mutter, wenn wieder allet kalt wird. „Jewöh‘n dich endlich mal an Ordnung, wat soll denn aus dir werden? sacht se immer.“ Nun mußte ich endlich laut loslachen und sagte kopfschüttelnd: „Ja, das möcht‘ ich auch gern mal wissen, was soll bloß aus dir werden?“ Aber da war er schon um die Ecke verschwunden.

Da ich für die Heimfahrt eineinhalb Stunden brauchte, je nach Anschluß auch mal etwas länger, beschloß ich, von weiteren Unternehmungen Abstand zu nehmen und auf dem gleichen Wege zurückzufahren, wie ich hergekommen war. Keine weiteren Unternehmungen. Ich bestellte mir noch ein Kännchen Kaffee und zwei belegte Schrippen, eine mit Käse und eine mit Mett und Zwiebeln und beobachtete, wie ein paar junge Mütter mit ihren Sprößlingen sich um den ersten Tisch drapierten, der halb auf dem Gehweg stand und von zwei lagen Sitzbänken flankiert wurde..

Die Mamas plauderten munter über die jeweiligen Papas, Backrezepte, wie man Marmelade einkocht und wie man Pizza selber macht, welche Mode derzeit angesagt ist und eine, ob sie nun noch Abitur machen sollte oder nicht. Die Kinderchen, auf dem Schoße der Mamas, hauten kräftig mit den Kaffeelöffeln auf die Tischkante, warfen ein Glas mit Orangensaft um und tranken aus den mitgebrachten Fläschchen, als sie dann wieder in ihren Kinderwagen saßen. Das eine versuchte, einem kleinen Teddybären eine Arm abzureißen, ein anderes hatte sich einen Schuh ausgezogen und biß darauf herum, und eines warf ständig seinen Nuckel zum Wagen heraus und die Mama hob ihn wieder auf und wischte ih jedesmal sorgfältig ab.

Nur eine zierliche dunkelhaarige Mutti forderte ihr ruhig im Kinderwagen sitzendes Kindchen auf: „Nun tu doch mal was!“ „Meiner macht gar nichts!“ vertraute sie ihrer Nachbarin an. „Tu doch auch mal was!“ „Sieh mal, die anderen tun alle was.“ Ja diese zierliche junge Mutti war traurig und ratlos und mit ihrem Kummer ganz allein. Ich sah sie an und schüttelte leise den Kopf. „Er ist bestimmt zurückgeblieben“ sagte sie. „Er m acht einfach gar nichts!“

Sie tat mir leid. Sie war ein sehr hübsches Mädchen mit dunklem Haar und traurigen Augen. „Kind“ sagte ich, „was soll er denn tun? Wenn niemand ihm etwas zeigt? Woher soll er die Erfahrung nehmen, zum Beispiel, womit man die Erwachsenen ärgern kann!“ Na, endlich hatte sie einigermaßen begriffen und nahmen ihren Daniel auf den Schoß. da blicke er zunächst erst mal in die Runde, um mit einer heftigen Bewegung einen Becher Vanilleeis mit Kirschen umzuwerfen und der Saft vom Tisch herunter auf Mamas weißen Rock träufelte!“ “Na bitte, er kann doch was!“ sagte ich und gab mir keine Mühe, die Schadenfreude zu verbergen.

Dann machte ich mich auf den Heimweg. Meine Güte, was war das für ein Tag. Kintopp ist ja nichts dagegen. Aber den Schloßpark werde ich mal demnächst besuchen.Wer weiß, was da wieder so „rumkraucht “

Du stellst aber auch immer Ansprüche, weißte?

So ganz genau weiß ich auch nicht mehr, war es der DON GIOVANNI oder die ZAUBERFLÖTE, die ich mal wieder geniessen wollte. Ich hatte sozusagen eine Dauerreservierung, so daß die Beschaffung der Eintrittskarte mit einem Telefonanruf bestätigt war. Ich hatte seit Jahr und Tag die Mittelloge hinter dem 1. Rang, und zwar ganz für mich alleine, was ja meiner Einzelgängermentalität vollkommen entsprach. Nur eine Aufnahmekamera und der Kameramann hatten links  neben mir Platz, um die Aufführung zu dokumentieren.

Ich hatte es unvorsichtigerweise einer Bekannten erzählt, daß ich einen Opernbesuch am Wochenende geplant hatte und bekniete mich, ob ich nicht eine zweite Karte für sie besorgen könne, sie würde so gerne mitkommen. Na, so wie ein Mensch zu erkennen gibt, daß er an Kultur interressiert ist, bin ich ja sofort dabei. Also war es eine Kleinigkeit, einen Stuhl (es waren drei im ganzen, den Platz des vierten nahm die Kamera ein) in  „meiner Loge“ zu reservieren.  Längst hatten sich die Zeiten geändert, und Bühnenbild und Choreographie unterlagen der Moderne, aber während der Vorstellung schloß ich gern die Augen und hörte nach innen und genoß die Musik, die man ja nun schon so spielen mußte, wie die Noten es vorschrieben. Auch das übrige Auftreten der Opernbesucher hatte sich frappant geändert und nur ganz wenige Leute, sicher Angestellte von  Firmen, Regierung oder Presse erschienen in Anzug und zumindest die Damen in einem „Kleid“, worüber man auch geteilter Meinung sein konnte.

Da es eigentlich nicht kalt war, nur ein bißchen windig, ging ich draußen auf und ab, weil wir uns im Foyer treffen wollten, aber da war es gerammelt voll. Selbst auf der Straße wimmelte es von Besuchern, die noch schnell die letzte Zigarette rauchten. Längst hatte es schon einmal geklingelt, aber Linda (die eigentlich Dietlinde hieß) war weit und breit nicht zusehen. Die Straße wurde leerer und  plötzlich schoß ein Radfahrer mit Vollbremsung auf mich zu. Unter einer dunkelblauen Wetterjacke Größe 48 pellte sich Dietlinde aus derselben und sagte entschuldigend, daß sie spät erst wegkonnte weil ihr Mann doch noch Abendessen haben mußte. (Kann sich ein Mann keine Stulle schmieren, dachte ich.) Dann schloß sie das Fahrrad an der Laterne an und entschuldigte sich an der Garderobe, daß sie es in der Eile nicht mehr schaffte ihren Regenmantel zu finden, denn es sah ja vorhin so aus, als wollte es…!!“ Und da hing nun die Jacke von ihrem Mann, der ja abends zuhause war, und so zog sie diese eben an. Im letzten Augenblick bemerkte sie, daß sie noch die Hosenklammern entfernen mußte, denn sie hatte schwarze Jeans an und ein in bunten Regenbogenfarben leuchtenden Strickpulli. Na, in der Loge ist es duster.

Also, sooo schnell wundere ich mich ja auch nicht mehr, und die Opernhäuser sind ja auch einem breiten Publikum zugängig, das ist doch wirklich sehr schön.  Im ersten Rang 1, Reihe Mitte, den man ja von meinem Platz bestens übersehen konnte einschließlich Parkett und Bühne frontal wartete ich auf die Dinge, die da kommen werden, aber seltsamerweise betrafen sie nicht die Aufführung. Dann erschien ein Mann in brauner Drillichhose und braun-weiß kariertem Hemd und nahm Platz in der ersten Reihe Rang Mitte, legte beide Beine auf die Brüstung und aß noch sein Abendbrot aus einer Stullendose, Ich schloß dann mal schon die Augen und Dietlinde fragte:“Schläfst du?“  „Nein. Ich mache nur die Augen zu!“ „Zu was denn, denn siehste doch nischt“ „Das ist ja der Zweck der Übung“ antwortete ich, aber lachen mußte ich trotzdem. Na,das Theater füllte sich, es hatte bereits das dritte Mal geläutet und das Drama nahm seinen Lauf.

Bevor die erste Pause näher rückte, mußte Dietlinde plötzlich mal für kleine Mädchen. Aber sie traute es sich nicht zu sagen, und so rutschte sie andauernd auf dem Klappsitz herum, der ein leises Quietschen von sich gab. Auch waren die Sitzpolster aus roten Kordsamt, da blieb man schon mal ein bißchen mit bestimmten Soffen daran hängen. Ein Flüstern oder Tuscheln ist geräuschvoller als leise Worte, und so bedeutete der Kameramann energisch mit eine Handbewegung, sie solle den Raum verlassen. Tat sie auch, aber nach kurzer Zeit fiel ein Lichtstrahl in die Loge und sie steckte den Kopf herein,  um zu fragen, wo die Toiletten sind. Der Meister schob sie mit dem linken Arm heraus und schloß die Tür. Ich mußte ein paarmal tief atmen.

Erst zur Pause verlies ich meinen Platz und blieb vorsichtshalber nahe der Tür stehen, für den Fall, daß sich der Unglücksrabe, ( die Räbin?) verlaufen hatte. Dann erschien sie und war empört, daß die Schließerin, die sie aufgelesen hatte, sie zwar zur Toilette begleitete, aber sie später nicht „während der Vorstellung“ wieder in die Loge ließ. Nun kamen wir überein, daß wir uns später noch einen gemütlichen Abend machen wollten in einem in der Nähe gelegenen Steakhaus, das relativ lange geöffnet hatte. Na, eine beglückende Aussicht. Mit einem gelungenen Essen ist man ja mit vielem wieder versöhnt.

Es verging allerdings einige Zeit, aber Dietlinde mußte dann doch schon wieder und nun wußte sie ja auch, wo die Damentoilette war. Sie wollte es mir gerade genau erklären, aber ich machte eine so energische Handbewegung, daß sie schnellstens das Weite suchte. In der zweiten Pause trafen wir uns draußen wieder, und sie beichtete mir, daß sie bei diesem langen gekrümmten Gang die Orientierung verloren hätte und nicht mehr wußte, ob nun von rechts oder von links – die Schließerin war nicht zu sehen (die stehen oft in den Zugängen zum Rang, um auch etwas von den Darbietungen zu haben); Na jedenfalls, sie mußte doch so nütig und dann war das ja die Herrentoilette, aber Gottseidank, es ist niemand gekommen und dann quetschte sie auch gleich noch ein paar Tränen heraus. „Jetzt habe ich Dir den ganzen Abend versaut“  schniefte sie, Ach, ich bin Kummer gewöhnt. Ständig hängt sich jemand an und jedes Mal wird es ein Fiasko, wenn es nicht mal so eine ad hoc Veranstaltung wird bei einer zufälligen Begegnung.

Irgendwie hatten wir dann den Abend herumgekriegt und wollten nun ins Steakhaus. Es war nicht weit; sie schob das Fahrrad und erzählte, daß sie bis 24 Uhr zuhause sein müßte, weil sie sonst mit dem Gatten Ärger bekommt. „Nee, nich?“ fragte ich. Doch ja, dann unterstellt er ihr, sie hätte sich rumgetrieben. Und dann müßte sie eben alles ganz genau erklären….usw usw usw. Das Steakhaus lag im dunklen und ich dachte wunder wie spät es ist,  aber es war wegen Renovierung gechlossen. Gleich um die  Ecke hatte noch ein Grieche geöffnet, da schloß sie nun das Fahrrad wieder an eine Laterne. Dann aßen wir in Windeseile,  ich Schafskäse in Weinblätter eingewickelt und sie irgendetwas aus Hackfleisch gebratenem, was entsetzlich nach Knoblauch stank. Der Wirt schaute auch irritiert, warum wir fluchtartig sein Gasthaus verließen; er konnte ja nicht wissen, daß Madame um 24 Uhr zuhause zu sein hatte, Dann nahm ich eine Taxe und fuhr zu Luigi.“Wo kommst du her so spät in die Nacht? Hattest du Rangdevuh?“ Ich hatte im Moment für Scherze und Geplänkel keinn Nerv. „Halt dich nicht so lange mit der Vorrede auf und gib mir erst mal einen doppelten Espresso. Und dann einen ganz wunderbaren Latte macchiato und dazu 2 Meter Tiramisu. Und dann kannste, wennste willst, dich zu mir setzen und dann erzähle ich dir, war ich heute erlebt habe!“  „Ich hatte schon den ganzen Tag die Befürchtung, daß er mit einer Katastrophe enden wird“ meinte er und ging, um den Latte anzufertigen. „Hab‘ dich nicht so mädchenhaft“ antwortete ich. Und dann setzte sich Franco auch zu uns und sagte, „Jetzt kommt ja doch keiner mehr:“ Stimmt. Aber jedenfalls war es noch ein ganz munterer Abend und Franco hatte mich sogar noch nachhause gefahren. Ich hatte mir selbst geschworen, nie wieder ja zu sagen, wenn irgendjemand mich irgendwohin begleiten möchte, Ob das Bekannte, Kollegen oder Urlaubsbekanntschaften waren, es wiederholte sich immer. Ich habe sie nicht aufgefordert. Im Gegenteil, je abweisender ich war, je intensiver war die Bearbeitung,

„Ach, sie gehen immer so alleine…! „ jaaa. Darüber kann ich noch fünfundzwanzig Geschichten schreiben, die fallen mir alle wieder ein und ich hoffte, sie gehören bereits der Vergangenheit an. Hoffentlich liest hier keiner, der mal mit war. Aber es liegt ja Gottseidank schon eine längere Zeit dazwichen.

Zu jedem Topf find‘ sich ein Deckel

Zu jedem Topf find‘ sich ein Deckel
(sagt man jedenfalls.)

In dem kleinen Cäfè waren alle Plätze besetzt, aber draußen waren noch zwei Tische frei, denn es war ein bißchen windig und das Wetter konnte sich nicht so richtig entscheiden, ob es nun regnen wollte oder nicht. Über die Stuhllehnen waren wollene Decken in leuchtendem Rot ausgebreitet, für den Fall, daß man mal vor Kälte bibberte. Aber es war nicht kalt, sondern nur ungemütlich. Das Wetter. Ich deponierte meine Einkäufe gleich auf dem Nachbarstuhl und machte mein liebenswürdigstes Gesicht, um eventuelle Tischgenossen gleich davon abzuhalten, zu fragen: „Ist hier noch frei?“ weil noch ein dritter Stuhl am Tisch stand. „Der Herr mit der Tigerdogge kommt gleich!“ ließ ich den jeweiligen Interessenten dann freundlich lächelnd wissen. Dann näherte sich aber eine sehr freundlich aussehende ältere Dame und fragte höflich: “Erlauben Sie?“ Ja, natürlich. Sonst wäre es ungezogen gewesen, denn am Nachbartisch plumpste fast im gleichen Augenblick ein nicht mehr ganz junges Paar auf die Sitzgelegenheiten nieder. Er war groß, drahtig und trug einen weißgrau melierten Bürstenhaarschnitt, und sie, eigentlich schlank, hatte einen Balkon, der einen fast das Fürchten lehren konnte. Sie hatte ihr rotes Haar zu einem Dutt mitten auf dem Kopf frisiert und erinnerte mich an ein Plakat von Toulouse-Lautrec „La Goulue“.

Eine Art Bäckergeselle in weißer Leinenhose und weißem, kurzärmeligen T-Shirt mit einem rot-weiß-karierten Küchenthandtuch um den Bauch, frage die Gäste höflich nach ihrem Begehr. Meine Tischnachbarin begehrte heiße Schokolade und einen gefüllten Liebesknochen. Sie lächelte ein bißchen und meinte entschuldigend: „Manchmal habe ich einen unglaublichen Heißhunger auf etwas schokoladiges – !“ „So hat eben jeder seine Vorlieben – ich könnte in Latte macchiato baden und mich in Tiramisu wälzen!“.Also, man könnte ja nur, aber natürlich tut man so etwas nicht.

Ich hatte gar nicht bemerkt, daß das Paar am Nebentisch inzwischen bereits bedient worden war und der Kavalier ein Bier vor sich stehen hatte, während Madame aus einer beachtlichen Glasschale Eis mit Fruchten und Sahne löffelte, das mit allerhand exotischen Früchten außerdem noch dekoriert war. „Das schaffst Du doch gar nicht, Irmgard“ sagte der Herr und schaute mißbilligend auf die riesige Eisschale. „Mußt du denn unbedingt immer das größte und das teuerste bestellen – und den Rest läßt gnä‘ Frau dann wieder stehen! Für‘s Personal!“ beendete er seinen Satz mit einer abfälligen Handbewegung. „Erzähl mir man bloß nich, dit dit für heute dein letztet Bier is, Biswa zuhause sind, krauchste wieder iuff alle Viere. Und wer stützt dir denn, he? Icke!“ Nach einigen Schweigeminuten sagte er: „Wir könnten doch nachhause laufen. Sonst müßten wir wieder umsteigen und um diese Zeit ist die Bahn ziemlich voll-!“ Sie hatte den linken Arm auf den Tisch gelegt und den rechten mit dem Ellbogen aufgestützt und loffelte langsam das Eis in sich hinein .Nun stützte sie mit der Linken das Kinn in die Hand, kaute auf einer Frucht herum und antwortete ihm mit halb geöffneten Mund: „Loofen, ja? Haste vielleicht mal jesehen, welche Schuhe ick heute anjezogen habe, damittick standesjemäß neben Dir herstöckeln kann? Damit jehe ick heute nich mehr einen ein -zi – jen Schritt. Und denn dit Wetta. Vielleicht regnet es noch und dann bekomme ich nasse Füße und die Sohlen sind hin. Nee mein Lieber Gunter, von dit Ferd komma gleich wieder runta.

Gunter hatte nun auch ein weiteres Bier bestellt. „Und wie haben sich Madame die Heimfahrt vorgestellt. Soll der Sechsspänner vorfahren?“ „Mach bloß nicht so‘n Bekotzten, weeßte. Ne Taxe kostet doch keen Vermögen. Oder soll ich vielleicht auf Strümpfe loofen und meine Schuhe in de Hand tragen. Zuzutrauen wäre et Dir, daß Du mir solches zumutest.“ Gunter blicke etwas nachdenklich auf seine Dame. Nach einer Weile sagte er: „Entschuldige, ich muß mal für kleine Jungen.“ Dann zog er sich in das Lokal zurück. Da es voübergehend nichts zu hören gab, änderte ich ein bißchen meine Sitzrichtung und nickte meiner Tischnachbarin zu, die sich einen zweiten Liebesknochen einpacken ließ, „Für zuhause“.Dann zahlte ich auch und brach auf. Am Nebentisch hatte Irmgard ihren Kopf in beide Hände gestützt und stierte in die leere Eisschale, Die Schuhe hatte sie ausgezogen und die Füße oben drauf gestellt. Ob Gunter schon mal vorgegangen ist? Zu Fuß? Nachhause?

„Mensch, lange nich jeseh’n, wa!“

Ach, das ist eigentlich eine prima Bus-Verbindung von Lichtenrade nach Steglitz. Und zu bestimmten Zeiten ist der Bus dann auch rappelvoll. Mal voller Schüler von den Schulen und Gymnadien, mal von den Altenheim-Bewohnern oder Pensionären einer Residenz. Also an bestimmten Zeiten ist er voll, voller, am vollsten. Denn die Schüler steigen ja bald wieder aus, aber dafür steigen immer mehr Leute zu, die die Schloßstraße unsicher machen wollen und ihre Rente loswerden.

Ab Säntisstraße war der Bus brechend voll. ich saß auf der linken Seite auf dem letzen Sitzplatz vor dem Mitteleingang. Also da, wo Mütter mit Kinderwagen und Schwerbehinderte Fahrgäste Platz finden. Aber eine resolute Dame, ich schätze sie mal so auf sechzig Lenze, quetschte sich zwischen einen Kinderwagen und meine Rückenlehne und hatte in dem vollbesetzten Bus weiter vorne eine andere Dame erkannt, die sie offensichtlich längere Zeit nicht gesehen hatte. So gestikulierte sie mit beiden Händen immer über meinem Kopf herum, um sich bemerkbar zu machen und die anderen Fahrgäste zu animieren, jene von ihr bemerkte Person nun auf sich aufmerksam zu machen. Als diese sich nun versuchte umzudrehen, weil es wirklich unglaublich eng war und sie nur Kopf und Schulter in eine Schieflage bringen konnte, trompetete es über mir: „Mensch, Jisela, lange nich gesehen, wa?“ „Die eingequetschte röchelte: „Ja, kann man wohl so sagen.“ „Jisela, fährste ooch nach Steglitz?“ Jisela nickte bejahend mit dem Kopf. „Willste wat koofen, wa? Fährste bis Walter-Schreiber?“ Jisela röchelte: „Nich ganz.“ „Ja wieso dennnich? Wat willste denn koofen?“ „Wir wollen einen Tisch kaufen!“ „Wir? Biste denn nich alleene ..ick meine, wieso denn wir?“ „Ich bin mit meinem Mann verabredet.! „Ach, ‘nen Tisch. Fahrma Möbelhof Steglitz, die haben prima Stühle!“ „WIr möchten uns einen Tisch ansehen.“ „Ich wußte ja janich,  det du wieda verheiratet bist – man erfährt ja nischt. Aber fahrma Möbelhof Steglitz, die haben tolle Stühle. Haste nen neuen, ick meine, Mann, oder haste den alten wieder jenommen? Der war doch eijentlich janz nett bis uff seine Macken. Na ja, wo die Liebe hinfällt, Ach, und jetzt wollta Stühle kaufen?“ „Nein wir wollen uns einen Tisch ansehen.!“

Inzwischen hatte sich längst Totenstille über die Fahrgäste gelegt, die alle mit einem Schmunzeln diesem sparsamen Dialog folgten. Man näherte sich langsam der Feuerbachbrücke. „Jisela, kennste denn übahaut meinen Mann? Der sitzt janz vorne, hinter dem Busfahrer. „Werner, Werner, steh mal auf. Hörste? Steh mal auf! Dann räkelte sich in die unerträglichen Enge wortlos ein älterer Herr und über meinem Kopf erschallte es:“ Siehste, dit isser. Dit is meiner!“ Gisela hatte versucht sich etwas zu drehen, um Werner in Augenschein zu nehmen. Ergeben setzte der sich wieder auf seinen Platz, nachdem sie sich gegenseitig zugenickt hatten. Jisela stieg Feuerbachbrücke aus, und hinter mir erschallte es noch einmal: „Jisela, Möbelhof Steglitz, janz prima Stühle, ehrlich!“ Als „Der Bus endet hier“ durchgesagt wurde, wollten natürlich alle Fahrgäste vollkommen diszipliniert auf einmal den Bus verlassen einschließlich Kinderwagen und Behindertenfahrzeug, und ich blieb sitzen und fuhr noch mit bis auf die andere Straßenseite.Ich stieg vorn beim Fahrer aus.

Der schien die Ruhe selbst und ein Philosoph zu sein. „Da machste wat mit, wss?“ grinste er und wünschte; „ Vergnügten Nachmittag!“ „Danke gleichfallls!“ meinte ich. „Na“ sagte er, „mein Bedarf an Vergnügen ist für heute gedeckt!“ So schieden wir in vollkommener Übereinstimmung.

 Möbelhof Steglitz am Rathaus Steglitz gibt es nicht mehr, und die Episode liegt auch schon einige Jahre zurück. Aber immer wenn ich beim geselligen Beisammensein aufgefordert werde, erzähle mal dies oder erzähle mal das, dann darf diese Begebenheit einfach nicht fehlen. Lewi

Gepäckaufbewahrung

"Zur steten Erinnerung" von meinem Sohn angefertigt- Bitte auf das Bild klicken

„Zur steten Erinnerung“
von meinem Sohn angefertigt-
Bitte auf das Bild klicken

Meine Mama, Gott hab sie selig, war immer eine gute und verschwiegene Zuhörerin der Nachbarn, Bekannten, Verwandten – wenn die ihnen ihr Herz ausschütteten und eine schweigende Zuhörerin ihren Text nicht unterbrach. Nur manchmal äußerte sie sich mir gegenüber mit dem Standardsatz: “Ja ja, die Frau M., X oder Y, hat ein ganz schönes Päckchen zu tragen. Dies bezog sich nun in den vorwiegendsten Fällen auf Eheprobleme. Kindererziehung. Familienangelegenheiten oder in einigen Fällen Kriegserlebnissen. Sie selbst trug eigentlich auch eine Menge mit sich herum, aber darüber sprach sie nicht. Es hatte viel mit ihrer Flucht aus Posen zu tun.

Inzwischen waren wir aus der Feilnerstraße weggezogen, zweimal um die Ecke in die Oranienstraße. In der ganzen Umgebung waren die meisten Kinder evakuiert, nur wenige kamen zum  Appell in die Schule in der Alten-Jakob-Straße. Nun will ich mich nicht in Einzelheiten verlieren, aber ständig wurde ich mit der Frage bedrängt, warum ich mich immer absondere und größtenteils für mich allein sein möchte. Dann gehe ich gerne meine eigenen Wege und hänge meinen Gedanken nach. Die sind nun nicht belastet von schrecklichen Erfebnissen, die mir erspart geblieben sind. aber teilweise von sehr dramatischen und einem Übermaß an Erfahrungen, mit deren Verarbeitung und Einordnung ich noch heute beschäftigt bin. Da schlägt ständig eine Unmenge an Eindrücken, Menschen, Erlebnissen, Erzählungen, Erfahrungen über mir zusammen, und ständig muß ich erklären, was mich veranlaßt, ganz plötzlich irgendwohin zu fahren hier in Berlin und rundherum, was ich manchmal selbst nicht so genau weiß. Dann besuche ich Orte, suche mir einen gemütlichen Platz in einem Restaurant mit Garten und träume vor mich hin.

Ein großer Teil der Erinnerungen hat damit zu tun, bevor der Tag der totalen Zerstörung Berlins kam und meine Kindheit in zwei Stunden total ausgelöscht hat. Ein nicht unbeträchtlicher Teil entfällt auf die Teilung der Stadt in vier Sektoren und auf den Mauerbau, so daß man sich nur mit einer Menge Unannehmlichkeiten mal aus Berlin hinausbegeben konnte. Viele deutsche Städte haben das gleiche Maß an Zerstörung erlitten, aber die Menschen konnten raus aus dem Dilemma und wieder rein. Sprich, sich im Umland bewegen. Wir aber nicht. Schon das allein reicht, um Bücher zu füllen. Zum Beispiel habe ich mich vor ein paar Tagen an die erste Zeit nach dem Kriege erinnert, wo wir in Reinickendorf wohnten. Dorthin hatte ich auch schon öfter mal einen Trip gemacht, um mich an viele Dinge zu erinnern. Diese Mal aber erinnerte ich mich zuhause an Louise Schröder, nach der man dort einen Platz benannt hat, und an den Ober-Bürgermeister der Stadt Berlin, Ernst Reuter! Das waren Ikone und sind es geblieben.

„Ihr Völker der Welt, seht auf diese Stadt….“ Riefe man das heutzutage, sähe man Wowereit. Und anstatt Louise Schröder Claudia Roth oder Renate Kühnast oder welche auch immer.  Und wenn man sich mal die ganze Riege vor Augen führt; also ich finde, sich diese Zeit ins Gedächtnis zu rufen reicht unbedingt aus, schon irgendwo in einem Eckchen mit sich alleine zu sitzen und darüber nachzudenken. Denn ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, daß ein Gesprächspartner eben eine ganz andere Sicht auf die Dinge haben kann. Und diese ganz andere Sich teile ich eben in den seltensten Fällen.

Plötzliche Einfälle

Als meine Mutter noch lebte, machte sie gerne ironische Bemerkungen über meine plötzlichen Einfälle, die sie „Anwandlungen“ nannte. Ab und zu hatte ich Anwandlungen und spontane Einfälle, und wenn ich mal, was selten genug war, Zeit für mich hatte und es mich „anwandelte“, unternahm ich spontan eine Fahrt irgendwo hin, wo ich „früher“ schon einmal gewesen war und an Orte, an die ich mich dunkel erinnerte.

Während des Krieges war mein Vater der Vertreter der Behörde, der die Beisetzungen und Trauerfeiern für die Gefallenen und Verstorbenen der Betriebsangehörigen wahrnehmen mußte, Trauerkränze besorgte und an den Gottesdiensten teilnahm. Mein Vater wurde nicht eingezogen, weil er zu der Zeit schon ein paar Lenze über Fünfzig zählte. So war er dann in jeder Beziehung Mädchen für alles und schmiss sozusagen den Laden. Der Herr Präsident das geschäftliche, mein Vater des praktische und das notwendige. Der Herr Präsident war ein ziemlich großer Mann, mein Vater war, gemessen an den Hünen heutzutage, ein ziemlich kleiner Mann.

Als ich Kind war, besuchte ich mit der Großmutter den Invalidenfriedhof in schöner Regelmäßigkeit wegen der Familiengeschichte, sowie den Thomas-Friedhof in Neukölln, wegen der verstorbenen Familienangehörigen. Später dann besuchte ich einige Friedhöfe in und um Berlin, da war ich zwar auch noch Kind, aber schon ein größeres. Zwischendurch besuchte ich dann mit der Großmutter mehrere Berliner Friedhöfe, auf denen Dichter, Denker, Komponisten und sonstige bemerenswerte Leute begraben waren, Versteht sich von selbst, daß ich mehrmals im Monat die Wache aufziehen sah und das Ehrenmal besuchte, mit der Großmutter natürlich, bei vorherigem regelmäßigen Besuch im Zeughaus und ansonsten zum Gottesdienst im französischen Dom.

Ich erinnerte mich an die Beisetzung eines älteren Arbeitskollegen, und wenn ich es nicht verwechsele, war das in Kaulsdorf. Es war Sommer, ziemlich warm und roch ein bißchen moderich, denn ich saß auf der Friedhofsmauer und lauschte auf den Klang der Orgel. Ein Junge, der etwas älter war wie ich, gesellte sich zu mir. Der gehörte auch zu irgendeinem Trauergast, der ihm befahl, draussen zu warten und nicht zu stören und außerdem keinen Unfug anzurichten und so weiter, was eben Erwachsene ständig wiederholten, als ob man so etwas nicht selbst wüßte als wohlerzogener Sprößling. Die sagten das sowieso immer, wenn andere Leute dabei waren.“Na sehen Sie mal an, wie gut wir unsere Kinder erziehen!“

Na jedenfalls, nach der Maueröffnung und der Inbetriebnahme sämtlicher S-Bahnlinien konnte man sich endlich wieder in ehemaliges Feindesland begeben. Meine Mutter war schon längst verstorben, aber ihre „geflügelten Worte“ werden mir ständig in Erinnerung bleiben. Lange Rede, wenig Sinn, mich überkam aus heiterem Himmel eine Anwandlung. Dieser leistete ich Folge und unternahm einen Ausflug nach Kaulsdorf.

Der terrassenförmige Friedhof liegt wunderschön im Wuhletal, aber das war er nicht, den ich in Erinnerung hatte. Da fiel mir alternativ Rahnsdorf oder auch Rangsdorf ein. Berlin hat ja eine Menge „Umgebung“ Oder „Biesdorf?“ Ich setzte mich auf eine Bank im Schatten und Durst hatte ich auch. Nun war ich in der Stimmung, tatsächlich „Anwandlungen“ zu bekommen. Ich ärgerte mich, war aber froh, den S-Bahnhof ganz in der Nähe zu wissen. Wenn ich nun schon mal bis hier gekommen war – also irgerndwie fuhr ich bis Friedrichstraße und setzte mich ins Restaurant an der Spree, um mir erst mal ein Seelenpflaster zu bestellen.

Ein flotter Endsechziger zog geräuschvoll den eiaernen Gartenstuhl durch den Kies und sagte fröhlich „Ich nehme mal hier Platz!“ Ich wollte gerade eine passende Antwort formulieren, aber dann mußten wir doch beide lachen und er plumpste erst mal auf den Stuhl. „Wie kommen Sie denn hier her. Das ist ja ein Zufall. Ich komme gerade von der Charité. Ab und zu besuche ich noch die Kollegen. Dann mache ich hier auch immer regelmäßig eine kleine Pause, ja ja. Sind Sie noch in der Kanzlei… XYZ…. ich habe Sie lange nicht gesehen?“„Nein, schon lange nicht mehr. Da hat sich so vieles geändert…!“ „Ja ja, das habe ich auch mitbekommen…! Na, jetzt trinken wir erst mal was..!“

Der Herr Doktor Jungbluth war in der bewußten Kanzlei Mandant und man kannte sich von einigen Begegnungen. Er erzählte mir, was er so anfing mit seiner freien Zeit und ich mit meiner, und von meinem heutigen Fiasko. Dann erzählten wir uns gegenseitig, wer alles gestorben war und tranken in stillem Gedenken an die Verblichenen. Plötzlich mußte ich laut losprusten, so daß die Touristen am Nebentisch aufmerksam wurden. Ich mußte an die Beerdigung in Kaulsdorf, das ja nicht Kaulsdorf war, denken. „Nun erzählen Sie – ich bin neugierig.!“

„Also, das war so. Ich saß auf der Friedhofsmauer und der Junge, seinen Namen weiß ich nicht, hatte sich zu meinen herabbaumelnden Füßen auf einen kleinen Sandberg gesetzt. Die Orgelmusik hatte aufgehört und der Zug der Trauergemeinde bewegte sich in unsere Richtung, um an einer offenen Stelle zu halten, wo die Sargträger schon ihre Last abgesetzt hatten. Wir konnten natürlich nicht verstehen, was gesprochen wurde, sondern nur ein leises murmeln erreichte unser Ohr. Ein paar Herren in schwarzer Kleidung nahmen ihre Zylinder ab und lauschten den Worten des Pfarrers. Aber bei einem der Herren blieb auf dem Kopf wie eine große rote Tüte das Zylinderfutter stehen und sank in Zeitlupentempo auf seinen Kopf herab. Der Junge sprang wie von der Tarantel gestochen von seiner Sitzgelegenheit auf und tanzte wie ein wildgewordener Indianer an der Friedhofsmauer entlang und wagte nicht, störende Klagelaute vonsichzugeben. Dann begleitete ich ihn zu dem nächsten Wasserbrunnen, wo man die Gießkannen füllen konnte, und er setzte sich mit dem nackten Hintern ins Wasser, vorsichtig hing er über dem Rand, um nicht hineinzufallen. Inzwischen schüttelte ich seine Hosen aus und hatte Angst, daß die blöden Viecher nur einem Umsteiger nehmen und mir die Beine hochkrabbelten. Später, als ich mit meinem Vater wieder nachhause fuhr, fragte er:“Was juckst du dich denn andauernd? Hast du in den Brennnesseln gesessen?“

Plötzlich fing der Doktor glucksend an zu lachen und sein Bauch wippte im Takt. Ich sah ihn fragend an. „Wie lange sind denn heute die Friedhöfe geöffnet? Wir könnten ja noch ein paar Prominenten einen Besuch machen? Fahren wir mit der U-Bahn bis Mehringdamm. Auf dem Friedhof dort liegt reichlich Prominenz…Chamisso, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Karl von Siemens, Adolf Glasbrenner, Wenzeslaus von Knobelsdorff, Rahel Varnhagen – Berliner Prominenz ohne Ende. Wollnwa?“

Laß dir bloß nicht wieder was vom Pferd erzählen…

Soll heißen: Fall nicht rein auf das, was sie dir da weismachen wollen. Das war nämlich so:

Vor einigen Jahren siedelte eine mir bekannte Familie sich in einer Ödnis in Schleswig-Holstein an, um dem Großstadtrummel zu entfliehen. Nach einigen Jahren entfloh sie aber der Ödnis und zog nach Hamburg, was ja nicht unbedingt ein ruhiges Leben versprach. Aber immerhin….

Nun geschah es, daß ich ganz zufällig auf einer Heimreise mit Bekannten in einem kleinen Ort nicht allzu weit weg von Kappeln an der Schlei in einem Gasthof übernachtete, und da es zeitig dunkel wurde und auch ziemlich ungemütlich war, denn die Regenböen rauschten unentwegt über die Fensterscheiben, man sich noch zu einem gemütlichen Beisammensein mit den übrigen Gästen und Einheimischen zusammenfand. Plötzlich nannte Jemand den Namen des kleinen Ortes, der mir bekannt vorkam. So nahm ich meine Tasche und setzte mich wie zufällig ganz nahe zu diesem Kreis, und da niemand von mir Notiz nahm setzte ich mich kurzerhand dazu.

„Jau, dat ist ja schon ziemlich lange her. Da hatte der Friedrich Kallweit, ihr wißt doch, dieser Heimatvertriebene und seine Mutter, von dem Bauern Simmeler das kleine Haus gemietet mit dem Schuppen und dem Garten hinter dem Haus. Da hielten Sie Hühner und Ziegen. Und der Frieder verkaufte die Eier und 1A Suppenhühner, auch mal Hähnchen. Die olle Mutter Kallweit machte einen hervorragenden Ziegenkäse und schlachtete die Hühner. Frieder ist ein kluger Mensch und sehr angesehen. Naja, nu isser ja auch schon alt und die Mutter lebt nicht mehr. Aber das komische war ja, daß der Jan Bickler auch Eier verkaufte. Meist in den umliegenden Orten. Nur wenige Bauern halten noch Hühner. Der Bickeljan hat einen großen Garten mit einer riesigen Wiese und Obstbäumen. Dann fuhr er mit seinem Dreirad durch die Orte und brachte die Eier an den Mann. Aber Hühner konnte man bei ihm nicht kaufen. Mit der Zeit hatte er so viele Hühner, daß sie ihm schon immer mal ausbüxsten. Und durch einen dummen Zufall kam es dann heraus, das Bickeljan kein Blut sehen kann. Dann wurde ihm schwarz vor Augen und: Bumm. lag er bewußtlos am Erdboden. So ein großer kräftiger Mensch und so‘ne Zimperliese. Tja..“

„Na jedenfalls“ setzte der nächste Gast die Rede fort, „es verging ja eine lange Zeit, und Bickeljans Hühner bildeten einen Gesprächsstoff. Dann kam eines Tages die Schwiegermutter von dem neuen Dorfbewohner zu Besuch. Der Bickeljan verkaufte seine Eier, und da er ja ein unterhaltsamer Bursche war, unterhielt er sich immer mit der Schwiegermutter, solange.bis er seinen Kaffee ausgetrunken hatte. Und diese Schwiegermutter machte täglich lange Spaziergänge. Dann ging sie auf dem Rückweg bei Jan vorbei, trank Kaffee, erzählte ihm was und beendete die Unterhaltung meistens, besser gesagt immer mit den Worten: Ab morgen (werde ich, mache ich, könnte ich, würde ich-) und so weiter. Offensichtlich hat aber nichts davon geklappt, denn es blieb bei dem Versprechen: aber ab morgen…..“

Nachdem noch eine weitere Runde Bier auf dem Tisch stand, ergriff ein etwas hagerer Herr nun das Wort und nuckelte ständig an einer kalt gewordenen Tabakpfeife. „PPff..“ Jaja, das war so. Ich erinnere mich dunkel. Auf einmal konnte man bei Jan Hühner bekommen. Es sprach sich schnell herum, daß sie von ausgezeichneter Qualität waren.. Ppff– Ppff.. Das müssen ja unwahrscheinlich glückliche Hühner gewesen sein.!“ Dann zog er ein bißchen die Nase hoch und schüttelte mißbilligend den Kopf. „Es war doch so“ warf der erste Erzähler ein, „daß Jan und die Schwiegermutter eine Beobachtung machten.“ „Eine Beobachtung. So!“ „Ja, So!“ „Und was soll das gewesen sein?“ “Nun, es fiel das seltsame Verhalten der Hühner auf, sie machten komische Bewegungen, stießen seltsame Laute aus, versuchten wie ein Hahn zu krähen und dann stanpften sie mit den Füßen auf, drehten sich im Kreise und fielen tot um. Mit offenen Augen und offenem Schnabel.!“ „Ja und? Was hatte das zu bedeuten?“ „Wissen Sie es nicht?“ „Natürlich nicht, ich bin ja kein Hühnerexperte.“

„Es war doch so“ sagte ein weiterer Gast, daß die Schwiegermütter auf dem Rückweg beim Jan saß am Tisch draußen vor der Küchentür, und da tranken sie dann Kaffee und unterhielten sich, und die Hühner liefen gemütlich herum. Und wenn die Schwiegermutter sich dann auf den Heimweg machte, der doch nur ein paar Grundstücke weiter war, verabschiedete sie sich vom Jan. „Und das sage ich dir, Jan – ab morgen nehme ich eine Regenjacke mit. Oder „Gute Nacht Jan. Ab morgen esse ich nicht mehr so spät Abendbrot- Oder „Ab morgen gehe ich nicht mehr durch den hinteren Waldweg.“ „Ja und?“ „Ja, was denn na und! Verstehen Sie denn nicht? Die Hühner haben sich totgelacht. Jedesmal ab morgen. Da lachen ja die Hühner. Diese Hühner hatten ja nun täglich was zu lachen. Dank der Schwiegermutter. Das hält ja kein Huhn aus. Und deshalb – die Hühner hatten einen glücklichen Tod- Sie haben sich totgelacht“

Die Runde hatte sich zu vorgerückter Stunde wortlos aufgelöst. „Glauben Sie denn so etwas?“ Sprach mich eine ältere Dame an. „Ich weiß nicht.Ab morgen gehe ich früher ins Bett.“ Sie sah mich entsetzt an? „Was ist denn?“ fragte ich ein bißchen grob.“ Es sind doch keine Hühner hier!“

Berlin, den 22. Oktober 2012/LEWI

Taxe fahren durch Berlin

Wenn ich beruflich unterwegs bin und der öffentliche Nahverkehr mir auf den Keks geht, dann rufe ich ein Taxi. Heute muß ich ganz weit weg, bestimmt eine Fahrt von fast einer Stunde. Bis beinahe rein nach Kladow, jedenfalls Glienicke.

Der Taxifahrer ist mittleren Alters, hat aber schon schneeweiße Haare und aus seinem Gesichtsausdruck kann ich nicht schließen: freut er sich über die lange Fahrt oder wohnt er sonst wo am entgegengesetzten Ende der großen Stadt. Na ich denke mal, er gibt seiner Freude zunächst verhalten Ausdruck. „Also, bis Zwölfe müßtick abar zuhause sein, spätestens halb Einze, habick meine Frau versprochen!“ „Na, das können wir aber schaffen“ tröste ich ihn. „Jaja, wenn nischt dazwischen kommt! Aba weeß man ditte? So, wie die Varickten alle fahren? Die müßte man gleich alle den Lappen abknöppen!“ „ Na, so hart woll‘n wir doch nicht gleich sein, oder?“ „Hm. Naja. Is doch wah,oder?“ Aber nun fahren wir inzwischen schon ganz zügig über den Mariendorfer Damm Richtung Innenstadt.

„Wissense, sonst fahrick ja immer über mittag durch, aber heute nich. Da machick mal ne Ausnahme von de Rejel. Weil meine Frau, nich, die kocht mir heute mein Leibjericht. Ick war je Witwer, nich – aber denn habe ick es doch  noch mal probiert. Und dit jeht ooch janz jut. Is ooch nich mehr sonne Jungsche, mehr so mittel, wissense. Sechs Jahre jünger is die wie icke, det is jenuch!“ „Ach, und ist Ihre Frau auch eine Berlinerin?“ frage ich schmunzelnd? „Neenee, die kommt aus‘m Vogtland, wenn Se wissen, wo det is!“ „Ach so, ja ja!“ „Wir fahr‘n jetze det Stücke immer jerade aus bis Tempelhofer Damm und denn uff‘de Autobahn und denn….“ „Ja ja, fahren Sie nur…!“ „Na ja, man kann so oder anders, nich! Wir fahr‘n ebend so!“  Nach einer kurzen Zeit des Schweigens frage ich: „Was gibt es denn nun heute Schönes zum Mittagessen?“ „Heute jibt es Könichsberger Kloppse.

Die esse ick doch so leidenschaftlich jerne. Und da hat meine Puppe jesacht: wenn du die so jerne ißt, denn mache ich die heute. Und nu macht‘set.“ „Au“ sage ich, „die esse ich auch sehr gerne!“ „Ja wa, det is aba ooch wat janz pompöset. Da wer‘ ick richtich rinhauen, und danach leje ick mich hin, zum verdauen, hahaha!“

Bald haben wir auch die Autobahnausfahrt erreicht. „Können Sie ooch Kloppse machen?“ werde ich gefragt. „Ja, kann ich..!“ „Machen Sie da ooch  die jrünen Dinger ran? Na, wie heißen die denn noch?Alsoooo…….. ????“ „Kapern? Ja, ich nehme immer die großen. Kapern müssen sein!“ „Ja, det sacht ja meine Puppe ooch immer, aber ick mußte mich erst an die Dinger jewöhnen. Wissense, det halbe Leben is ja Jewöhnungssache, nich?“ „Ja, das stimmt wirklich!“ sage ich und muß grinsen, weil ich daran denke, an was man sich im Leben so gewöhnen muß außer an Kapern. Aber mein Fahrer schwärmt weiter und mir läuft langsam die Spucke im Mund zusammen.

Bis zum Funkturm ist es nicht mehr weit, aber da ist meistens Stau. „Und wissense wat, Die Soooße!“ „Ach ja, die auch!“ sage ich. „Na, die kannse ooch prima machen. Det kriegt se Eins A hin, diese Soooße! „Ick muß dich doch verwöhnen, mein Gustl!“ Hattse jesacht. Gustl, det bin ick. Die denken immer alle, ick heiße Justav. Abe nee, so heiß ick nich. Leider hamse mir een anderen Namen verpaßt! Ick heiße Aujust, und det finde ick war eene Frechheit von meineEltern. mir Aujust zu nennen. Aber ejal, für meine Puppe binick Gustl!“ „Mit Salzkartoffeln!“ „Wie bitte?“ „Ick meente, mit Salzkartoffeln Mit Quetschkartoffeln schmeckt et nich. Oder sagen wir mal lieber, da schmeckt et ebend nich so jut!“ „Ja, das ist wahr!“ „Aber die Soooße. Süßsauer musse sein. Wie machen Sie denn die? Mit Essich oder mit Zitrone?“ „Halb und halb!“ „Ja. jeht denn det?“ „Na, warum soll es denn nicht gehen? Ich mache es jedenfalls so!“ „Denn werde ick det nachher meine Puppe erßäählen, det die Dame, mit die ick vorhin jefahren bin, die macht die Soße mit halb und halb. Schad‘ ja nischt, wenn man wat hinzulernt, kann man ja mal ausprobieren.“

„Wat nehmen Sie denn für‘n Fleisch?“ Also ick meine, nehmen se Rinderhack oder jemischt? Aber keen Hackepeter, wa?“ Na, und denn müssen ja ooch ordentlich Zwiebeln rin. Wissense wat, ick halte es schon bald janich mehr aus, bis es endlich soweit is. Aber ick habe ooch janz schön Bammel!“ „Um Gottes willen, warum das denn?“ Na, stellen Se sich mal vor, ick komme nachhause und denn saacht die Kleene, Gustel, ick habe es nich jeschafft, Kloppse jibt et erst morjen. Und heute jibt es Spinat mit Ei.“ „Na, so schlimm wäre das ja auch nicht. Ist zwar was ganz anderes, aber schmecken tuts ja auch und ist gesund.“

„Wie machen Sie denn den Spinat? Koofen Sie frischen? Oder ooch aus der Tiefkühltruhe?“ „Tiekühltruhe!“ „Jeht schneller, wa? Na ja, die janze Kocherei erfordert Zeit. Ick kann bloß Rührei und Tütensuppe. Davon habe ick mich ne janze Weile ernährt. Und Currywurscht. Dit is doch allet nischt für een ausjehungerten Mann, nich? August, habe ich mir jesacht, such dir ne Frau, so isset nischt. Na ja, lassenwa es langsam anjehn. Kloppse machen kann se ja!“

Nach längerem Schweigen, wo jeder seinen Gedanken nachging, hatten wir das Ziel erreicht. August wünschte mir einen guten Tag und ich wünschte ihm eine gute Rückkehr. „Haben Sie es denn weit nachhause?“ „Na, bißchen schon, Rummelsburg!“ „Och Gott,is ja beinah‘ um die Ecke!“ mußte ich lachen. Er lachte auch. „Ick fahre durch!!! jetze habick Hungerrr!“