SPLITTER (45)

Es drängt ans Tageslicht

Immer wieder tauchen Erinnerungen unerwartet aus der Vergangenheit auf.Vielleicht könnt ihr euch noch auf die alten Geschichten besinnen – als ich noch Kind war. Das habe ich oft beschrieben, wie ich unter unserem großen Esszimmertisch hockte, um zuzuhören, worüber sich die Erwachsenen denn unterhielten. Das war so mehr oder weniger meine Grundausbildung.

Heute hocken die Familien vor dem Fernsehgerät und reden keinen Ton; damals hockte man, zumindest bei uns zuhause, um den großen Esszimmertisch, der bequem Platz für zwölf Personen bot. Auf der Verstrebung, die wie ein zweiseitiges Ypsilon die vier wuchtigen Beine stützte, hatte ich mich oft, schon bequem im Schlafanzug, mucksmäuschenleise hingehockt und aufmerksam verfolgt, was man sich so zu erzählen hatte. Und das war viel. Ich glaube, sie wußten ganz genau, daß ich da saß, denn manchmal bin ich bestimmt vor Müdigkeit einfach runtergekullert und wurde in mein Bett getragen.

Bis zum Februar 1945, als wir total ausgebombt wurden, hatte ich eine erstklassige Ausbildung, zumal ich nun schon erheblich größer, aber noch Platz ausreichend unter dem Tisch vorhanden war. Man ließ es einfach geschehen, denn ich hütete mich, auch nur einen Mucks von mir zu geben. Da behandelte man weniger die Gegenwart, sondern mehr oder weniger die Jugenderinnerungen und Erinnerungen schlechthin der Erwachsenen. Da ein Teil der Familie aus Posen nach Berlin kam, drehten sich auch einige Geschichten um Leute, die ich nicht kannte, aber über die öfter mal erzählt wurde. Manchmal überrascht es einen eben, daß auch ältere Leute einmal jung gewesen sind. Und aus ihrem bisherigen Leben Ereignisse und Menschen beschrieben, die man inzwischen nur vom erzählen kannte und sich ein eigenes Bild formte.

In den unruhigen Zeiten waren einige bekannte Familien aus Posen nach Amerika ausgewandert, und man erzählte sich oft von den tragischen Situationen des Abschiednehmens. Damals flogen ja keine Linienflugzeuge hin und her, sondern viele Familien verließen die Heimat auf recht unbequemen Wege über das Meer. So kam eines Tages auch das Thema „Schiffsreisen“ auf‘s Tapet. Man sprach über die Katastrophe des Unterganges der „Titanic“. Ich glaube nicht, daß mich das besonders interessiert hätte, denn sonst wäre mir bestimmt wenigstens eine Kleinigkeit eingefallen. Viele Jahre später jedoch habe ich schon einige Gedanken darauf verschwendet.

Heute zum Beispiel: da war doch was? Ich weiß  nun nicht, ob es in den Medien auch einen
Niederschlag fand. Ich jedenfalls habe unter anderem ein ausgesprochenes Faible zu maritimen Themen. Vom 14. auf den 15.April 1912 zum Beispiel fuhr die „Titanic“ abseits der viel befahrenen Atlantikroute auf einen Eisberg, wobei etwa 1500 Menschen auf dramatische Weise ihr Leben lassen mußten. Das Drama beschäftigte viele Jahre die Medien, aber über Vermutungen und Spekulationen kam man nicht hinaus, was nun die tatsächliche Ursache dieses schrecklichen Ereignisses gewesen ist.

Erst im Jahre 1985 wurde das Wrack der „Titanic“ geortet, zweieinhalb Meilen unter der Meeresoberfläche, und somit erwachte auch wieder schlagartig das öffentliche Interesse. Es hat inzwischen bestimmt einige tausend Tauchgänge gegeben, aber man kann das Schiff nicht bergen. Es würde außerdem auch Unsummen verschlingen. Inzwischen wird nun aber versucht, diesen dubiosen Unglücksfall aufzuklären, und ich weiß nicht, was nun verbindlich und tatsächlich herausgekommen ist. Aber für selbsternannte Kriminologen wäre es ja eine schöne Freizeitbeschäftigung. Mal etwas anderes als Putin oder Griechenland. Und viele Leute hätten vielleicht mal ein Hobby außer zu raisonnieren.

Die Seefahrt ist eben nicht ganz ungefährlich. Fliegen schließlich auch nicht. Die  Fähre ESTONIA ging sozusagen in Minutenschnelle unter, im Indischen Ozean brach auf der ACHILLE LAURO ein Feuer aus. Dabei kamen zum Glück nur ein paar Menschen um. „Das Geheimnis der Mary Celeste“ hat mir schon als Teenager kalte Schauer über den Rücken gejagt. Und „Kapitän Hornblower auf allen Meeren“, das waren noch Zeiten. Gelesen, gelesen, gelesen – und dazu noch die Filme mit Gregory Peck. (Ach wie schade – es ist alles schon soooo lange her!)

Hinterlasse einen Kommentar