Wär‘ ja gelacht

Meine Lieben,

ich habe schon immer Geschichten geschrieben und Gedichte gemacht. Seit September 2012 kann man bei den Geschichten zurückgehen die im Archiv bereitliegen. Da gibt es viel zu lesen – und es wird euch bestimmt auch unterhalten und gefallen. Und das Luisen-Eck werde ich jetzt auch endlich mal vervollständigen. Und Gedichte stelle ich alle Tage ein – keine Angst. Ich will keinen von euch verlieren.

Man muß sich halt das Leben so angenehm und schön machen, wie es nur geht.

Ich werde mich durch word.press nicht unterkriegen lassen.

Alles Liebe, Lewi

SPLITTRER (55)

Ich habe sie versehentlich gelöscht und hatte sie noch nicht gespeichert. Hu hu heul !!!j

SPLITTER (55)

Schaufensterbummel

Die Zeiten ändern sich – das ist ja nun mal nicht von der Hand zu weisen. Und auch die Ansichten ändern sich. Ganz unbemerkt zuweilen. Der eine sagt: nimm dir ‘nen Schirm mit, wenn Regen angesagt ist, der andere rät: stell dich einfach irgendwo unter. Also, nicht nur die Zeiten ändern sich, die Menschen auch.

Als ich noch Kind war und an der Hand der Oma durch die Leipziger Straße flanierte, oder über den Spittelmarkt in die andere Richtung zum Alex, sahen wir uns stets begeistert und aufmerksam die Schaufenster an. Gegen das grelle Sonnenlicht, daß die Farben der Stoffe und anderer Auslagen schnell erblassen ließ, war an vielen Schaufenstern von innen ein durchsichtiges gelbes Rolleau angebracht, um die Waren zu schützen.

Auf dem Heimweg saßen wir zur Entspannung gern mal auf einer Bank auf dem Dönhoff-Platz oder machten einen kleinen Abstecher zum Hausvogteiplatz. Das war noch eine Zeit, bevor der Ernst des Lebens, sprich Schule, begann. Unterwegs hatten wir uns stets angeregt unterhalten, das heißt, ich fragte der Oma „Löcher in den Bauch“, wie diese Redensart heißt, und ich hörte aufmerksam zu. Es gab doch viel zu fragen, um schließlich auch viel zu wissen.  Dann sagte der Papa beim Abendessen schon mal: „Ja ja, du hörst das Gras wachsen“, wenn ich vom Ausflug mit der Oma erzählte und meine gewonnenen Eindrücke erläuterte.

Inzwischen wurde es Krieg, und durch die aufregende Leipziger Straße mit den schönen Geschäften und Kaufhäusern flanierten (nicht nur) am Wochenende die Offiziere mit ihren Damen. Da gingen wir ziemlich selten nur noch bis zur Friedrichstraße bis Unter den Linden, und dann durch das Brandenburger Tor in den Tiergarten. Ein paar Jahre später, als der Krieg in vollem Gange war, sah man keine dekorierten Schaufenster mehr und verzichtete längst auf einen Bummel, falls einen unterwegs ein Fliegeralarm erwischen sollte und es in der Nähe keinen Bunker oder andere Sicherheitsräume gab.

Nun ja: alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei – während der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Welt ziemlich grau und man entbehrte auf jeden Fall Farben. Aber auch diese Zeit ging einigermaßen an uns vorbei – wir überlebten. Mehr schlecht als recht, aber immerhin. Es gab genug Schieber und Kriegsgewinnler, aber auch reichlich, wie immer, die Verlierer. „Augen zu und durch“ war eine gute Parole. Wir lebten nun in Kreuzberg, wo durch die Bomben noch ziemlich viel zerstört, und trotz Aufräumungsarbeiten noch sehr viele Trümmergrundstücke vorhanden waren. Unsere Flaniermeile ersetzte nun der Kottbusser Damm und ein Teil der damals glaube ich noch Bergstraße, inzwischen Karl-Marx-Straße genannten Erlebnismeile. Ein kurzer Teil der Sonnenallee floß ebenfalls mit ein, so wie die Hermannstraße, die wir auch sehr oft frequentierten, um zum Friedhof zu gelangen, auf dem ein Anteil der verstorbenen Familienangehörigen begraben war.

Man wurde älter, langsam veränderte sich das Umfeld, obwohl es noch reichlich Kriegsschäden gab. Und gerne machten wir in den späteren Jahren einen Bummel über die Tauentzien und den Ku-Damm rauf und runter. Da war es hell, da war es bunt, da war es teuer, verlockend und geschmackvoll. Und selbst wenn man wußte, daß man dort niemals dazu gehören könnte oder würde, erfreute man sich an den herrlichen Auslagen, Garderoben, Accessoires, Lederwaren, Schuhen, Restaurants. Da war man noch meilenweit entfernt, bevor man selbst eines Tages, nicht gerade dazu gehörte, aber doch einen kleinen Teil des Kuchens abschneiden konnte. Wir sahen gerne die Schaufenster vom KaDeWe an, träumten von eleganten Garderoben und ahnten, daß wir eines Tages wirklich „erwachsen wären“ und uns vielleicht auch etwas leisten könnten.

Auch die Schaufenster haben sich inzwischen frappant verändert. Es kommt vor, daß man überhaupt keine Lust hat, sie anzusehen. Ich benutze in jedem Falle ein paar Marken, die ich nie gewechselt habe und die in all den Jahren gleichbleibend gut und gediegen sind. Nur ein paar mal habe ich andere „Marken“ ausprobiert. Ich kaufe nie wieder Verpackung. Das muß man auch lernen – und es tut weh. Immerhin, eine ziemliche Zeitspanne ist inzwischen vergangen, und die Vorstellung, wie alles einmal war, ist längst passeé. Wer davon betroffen war, will von der Vergangenheit sowieso nichts mehr hören, und wer die Zeit nicht kannte, erst recht nicht. Und von den betroffenen ist ja wohl auch kaum noch jemand da, der ein Mitteilungsbedürfnis hat. Also, ich hab das auch nicht. Es ist so viel geschrieben worden, kann man alles nachlesen. Ob man alles glaubt, ist wie immer jedem selbst überlassen. Ich lese gerne in den drei Bänden von Tausendundeine Nacht. Da sind wirklich 1001 Geschichten erzählt. Aber ehrlich – ich   g l a u b e   davon nicht eine. Eben. Es sind ja Geschichten.

Vor einigen Tagen kam ich etwas spät von einer Verabredung zurück und wollte zur U-Bahnstation Richtung Rudow. Dann kann ich ganz bequem umsteigen. Es war noch nicht so richtig finster und in den Schaufenstern des Kaufhauses brannte Licht. Na bummel ruhig, ist ja noch nicht so spät, dachte ich und trottete gemächlich an den Schaufenstern vorbei. Schöne Dekorationen. Camping-Motive, tolle Ausrüstungen, Anglerparadies, passene Kluft und Netze aufgespannt mit Fischen darin. Urlaub am Meer, Seesterne, Segelboote im angedeuteten Hintergrund. Fröhliche Kinder, zum Teil im Sandkasten, mit allerlei Freizeit Gestaltungsmöglichkeiten. Kleinkinderausstattungen mit allen nur erdenklichen Schikanen. Eine Wohlstandsdokumentation, ohne Frage. Dann bog ich um die Ecke in die schmalere Straße, und da waren die fleißigen Dekorateure noch am Werk. Die Fenster waren nicht verhangen, nur zwei oder drei.

Man war dabei, auch für die Erwachsenen interessante Eindrücke zu vermitteln, um die Passanten zum Kauf zu animieren. Zum Beispiel mit Strandleben. Ein braungebrannter Adonis mit Kurzhaarschnitt und ordendlich Muskeln lehnte sich in einer superknappen Badehose an den Erfrischungsstand und trank wahrscheinlich einen Zitronensaft. Eine elfenzarte Nixe im besonders sparsamen Bikini strahlte ihn an und streckte die Hand aus, da der Mixer hinter dem Erfrischungsstand gerade einen neuen Drink fabrizierte. Na ja, noch einige Situationen wurden in den einzelnen Schaufenstern demonstriert und machten doch tatsächlich Laune auf Urlaub.

Die letzten beiden Schaufenster waren nicht verhängt. Die dachten betimmt nicht daran, daß dort noch jemand um diese Zeit vorbeikommen würde. Einige Torsi, männlich oder weiblich, lagen am Boden, in einem Karton lagen verschiedene Köpfe, Kahl, die später bestimmt „Frisuren“ übergestülpt bekamen. Im Hintergrund übereinander gelegte Plastik- Körperteile. Arme, Beine,  und auch noch ein paar Köpfe, Plastiktüten, Leitern, Kartons, Füllmaterial -und dazwischen turnten ein paar Dekorateure umher,  wahrscheinlich, um sich nun etwas Neues auszudenken. Zunächst fand ich diese Situation absolut erheiternd, und wir lächelten uns durch die Schaufensterscheibe zu.

Die jungen Dekorateure und Dekorateurinnen kasperten mit den Utensilien herum und ich mußte lachen. Aber plötzlich schüttelte es mich und mir wurde eiskalt auf dem Rücken. Ich setzte mich auf dem leeren Bahnsteig auf eine Bank und wartete auf den passenden Zug. Ja, so war es. Das war eine plötzliche Erkenntnis, die mich das Grauen lehrte. Denn im Hintergrund wirkten die Zertörer, die Gefühllosen, die Macher. Sie entschieden, wer oder was von den ganzen noch für eine Daseinsberechtigung verbliebenen Resten auserkoren wird, im Schaufenster zu stehen und etwas nach aussen zu transportieren. Aber was hinter dem Vorhang passiert – das wissen wir nicht, und wir dürfen es ja auch nicht wissen. Wir werden es nicht wirklich erfahren und die meisten Menschen wollen überhaupt nichts erfahren. Man will leben. Im Schaufenster stehen. Vorne. Aber da ist kein Gott zuständig.Der ist an Dekorationen nicht interessiert. Aber es ist wie es ist. Und wir bemerken es nicht. Oder wollen nicht….

Aus den einzelnen genannten Gründen hängt man schon seit ziemlich langer Zeit beim dekorieren die Schaufenster zu. Wir stehen vor dem Fenster, die fremdbestimmten und ausgewählten stehen hinter dem Fenster, und die Macher bleiben gewöhnlich im Hintergrund.

Schaufensterbummeln ist längst aus der Mode gekommen. Und außerden: ich finde, man bummelt heutzutage gar nicht mehr. Man latscht…..

SPLITTER (51)

Schach

Gelegentlich erinnere ich mich immer noch an f r ü h e r. Das ist schon so lange her. Da spielten sie am großen Tisch im Wohnzimmer unter der Stehlampe bis es hell wurde. In der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ganz besonders, da waren die Nächte so lang bis zum Morgengrauen und es stand immer eine Kanne mit Schwarzem Tee auf dem Tisch. Manchmal sah ich auch stundenlang zu. Ich selbst habe keine Geduld für dieses Spiel. Eine Rochade bekomme ich zwar schon noch hin, aber sonst verliere ich schnell den Überblick und kann auch keine weiteren Züge planen. Jedenfalls keine, die zu einem Erfolg führen könnten. Eigentlich habe ich auch keine rechte Lust, mich auf dieses Spiel zu konzentrieren.

Anders als bei „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Halma“ oder anderen Brettspiele haben aber die Schachfiguren eine individuelle Aufgabe, eine Position sozusagen und müssen eine spezielle Aufgabe erfüllen. Das können sie nicht von selbst, sie werden an einen Platz gerückt und müssen von da gemäß ihrer Identität agieren. Es entscheidet der Spieler, was nun geschieht. Nicht die Figur. Sie kann nicht wie ein Halmamännchen über das Spielfeld eilen, sie kann nur das erfüllen, was ihre Aufgabe ist und wo der Spieler sie haben will.

Diese Überlegung hat mich schon oft auf den Gedanken gebracht, daß auch wir Menschen einfach an eine Position gerückt werden und damit in einen bestimmten Kreislauf eingebunden sind. Man bekommt die Weisung, bestimmte Aufgaben oder eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Dann gehört man zu den auserwählten, im Guten wie im Schlechten. Man wurde auf das Spielfeld geschubst. Die übrige Masse scheint bedeutungslos zu sein, denn diese har wieder eine andere Aufgabe zu erfüllen. Ich denke schon, da sitzt einer und schiebt die Figuren, und nun mach mal etwas daraus…..

Da gab es nun diese schöne Insel und den interessanten Commandante , und ein Kapitän aus Bremen mit seinem Schiff, auf dem sich auch seine neunzehnjährige Tochter Marita befand, legte in Havanna an. HAVANNA! Da fällt mir sofort Graham Greene ein und „Unser Mann in Havanna“, einzigartig Buch und Film. Und Ernest Hemingway und die drei besten Bars, um sich in Havanna zu betrinken. — Floridita -Dos Hermanos – und – La Bodeguita del Medico -. Und natürlich der Buona Vista Sozial Club.

Na jedenfalls kam Fidel Castro den Kapitän Lorenz aus Bremen im Hafen auf seinem Schiff besuchen und verliebte sich auf der Stelle in dessen neunzehnjährige bildschöne Tochter Marita. Der Keulenschlag traf wohl beide gleichzeitig und „ich werde dich zur Königin von Kuba“ machen, versprach Fidel. Das war 1959. Es war eine große und sicher einzigartige Liebe und die wirklich abenteuerliche Lebensgeschichte der Marita und natürlich Fidels kann sich kein Roman ausdenken.

Der mehrfache Grimme-Preisträger Wilfried Huismann hat ein sehr aufschlußreiches Buch darüber geschrieben (keinen Roman) das 2001 verlegt wurde. Möglich, daß es dies noch gibt? „Lieber Fidel“

Was mich an dieser Geschichte und den Akteuren besonders bewegt ist, daß einen das Schicksal irgendwo hinschieben kann, wo man von selbst offensichtlich niemals landen würde. Auch, daß man Dinge tut, die man gar nicht will. Es ist genau wie auf dem Schachbrett. Da wirst du irgendwo hingeschoben und mußt tun, was auf diesem Platz gefordert wird. Du kannst nicht einfach sagen, „ach, heute gehe ich mal ein bißchen mit dem Pferd spazieren“ oder die Königin sagt im stillen: „Der alte blasierte Kerl geht mir schon lange auf den Keks. So ein Leben mit ,nem Bauern könnt‘ man ja auch mal ausprobieren – „Nee, geht nich.“Ob da so jeder seinen Schieber hat und die sich einander auch nicht grün sind? Einer alleine kann ja auch nicht den ganzen Tag schieben.

Ich habe im Internet nicht nachgesehen, ob etwas über Marita Lorenz veröffentlicht ist, aber wenn, dann sollte man es unbedingt lesen. Jeden wird es ja auch nicht interessieren.

Aber ich muß jetzt mal wieder etwas tun – ich habe nämlich noch einen H a u s h a l t! Der ist aber aus ganz natürlichen Umständen entstanden und erfordert gelegentlich meine Aufmerksamkeit. LEWI

SPLITTER (50)

Omnia mutantur

Der Deutsche Kaiser Lothar der I. lebte im 9. Jahrhundert so weit ich mich erinnere und sprach eine epochale Erkenntnis aus: Omnia mutantur. „Alles ändert sich.“ „Tempora mutantur, nos et mutamur in illis“, so ist es uns geläufig. Die Zeiten ändern sich und wir mit ihnen. Na, ich für meinen Teil kann sagen, ich habe mich Gottseidank in den gegenwärtigen Zeiten kaum oder gar nicht verändert.

Im Laufe unseres Lebens gehen ja die Ereignisse nicht spurlos an einem vorüber und der Mensch hat eben auch in der Regel keinen Einfluß auf das Geschehen; auf keinen Fall sowieso als Individuum. Unsere Eltern lebten keinesfalls in ruhigem Fahrwasser einfach so dahin und wir erst recht nicht, und die derzeitige Generation auch nicht. Jedenfalls tut man so, als ob das alles, was um uns herum passiert, so eine Art Horrorfilm ist, dem man nicht allzu viel Bedeutung beimißt. Geht doch trotzdem alles weiter (aber wie?)

Es gäbe über so viele herausragende Bürger unserer Stadt zu berichten, das habe ich eigentlich auch vor. Retten, was zu retten ist. Und zunächst ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Ein ganz besonderer Bürger dieser Stadt war er schon, dieser Adolf Glasbrenner. Und die Zeiten, in denen er „wurde“ sind ja auch nicht so ohne.

1810 Am 27. März ist er geboren (wie ich) in Berlin

1813/1814 Befreiungskriege gegen die Napoleonische Besetzung der westlichen
Deutschen Staaten

1815 Wiener Kongress. Gründung des Deutschen Bundes mit 34 Fürstentümern und 4 Freien Städten. Bundestag in Frankfurt/M.

1817 Wartburgfest der Deutschen Burschenschafter

1819 Karlsbader Beschlüsse

1827 Erste Veröffentlichung Glasbrenners in Saphir‘s „Berliner Courier“

1828 Deutscher Zollverein als Vorbereitung für eine wirtschaftliche Einheit
Deutschlands

1830 Julirevolution in Paris. Aufstände in Polen für Staatliche Selbständigkeit

1832 Hambacher Fest, danach Verbot politischer Versammlungen durch den
Bundestag

Erste eigene Zeitschrift Glasbrenners „Don Quixote“
Beginn der Reihe „Berlin wie es ist – und trinkt“

1839 Verbot der Fabrikarbeit für Kinder unter 9 Jahren in Preussen
und Zehnstundentag für Jugendliche

1840 Tod Friedrich Wilhelm III., Friedrich Wilhelm IV. wird Preuß. König
1844 Weberunruhen in Schlesien

1847 Wirtschaftskrise und Hungersnot in deutschen Ländern

1848 Februarrevolution in Frankreich
Trauerzug der Märzgefallenen zum Friedrichshain
Deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche eröffnet
Oktober: Erneuter Volksaufstand in Wien
Dezember: Berlin im Belagerungszustand
„Kommunistisches Manifest „ von Karl Marx und Friedrich Engels

1849 Entwurf einer deutschen Reichsverfassung mit kleindeutscher
konstitutioneller Monarchie und erblichem Kaisertum. Friedrich Wilhelm IV.
lehnt die Kaiserkrone ab.

Auflösung der Deutschen Nationalversammlung am 18. Juni

1851 Formelle Wiederherstellung des Deutschen Bundes

1853 bis
1856 Krimkrieg

1859 Krieg zwischen Österreich und Frankreich

1864 Krieg Preußens und Österreichs gegen Dänemark

1865 Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins als
Beginn der Frauenbewegung

1855 Krieg zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland

1870 Krieg Preußens gegen Frankreich

1871 Gründung des Deutschen Reichs

Also für damalige Zeiten waren das auf jeden Fall allerhand Zeiten. Jedenfalls politische. Seine persönlichen Reibereien aufgrund seiner satirischen und politischen Artikel brachten ihn nicht selten in ärgerliche Verwicklungen, die aber ein weiteres Kapitel füllen würden. Damals ist man ja im Verhältnis zu dem heutigen Umgang mit derlei Dingen dermaßen zimperlich umgegangen – da hagelte es sogar Ausweisungen und man mußte ins Exil. Da wurde einem sogar gelegentlich die Existenzgrundlage genommen. Na ja – damals. „Damals hattenwa ja auch‘n Kaiser“ ist so ein lapidarer Spruch.

Ich krame ganz gerne mal in den diversen Historien herum – da stößt man öfter
auf ganz interessante Informationen. Wie es einmal war und so – ,
,
Na ja, muß ja nicht jeder lesen.

Ansonsten: Viel Vergnügen

SPLITTER (49)

Berliner Geschichte(-)

Ja, man ist ein Berliner Kind, das sollte man einfach nicht vergessen. Von Zeit zu Zeit erfolgen ja immer Anstöße, wenn man gelegentlich auf Personen trifft, die dann den gleichen Hintergrund haben. So zum Beispiel einen ziemlich alten Herren, der dunkelbraune Knopfaugen hat und ein hintergründiges, verschmitztes Lächeln. Und ein weiterer alter Herr mit einem eisengrauen Bürstenhaarschnitt und einer Unmenge Falten im Gesicht. Die schauen den Enten am Dorfteich zu und ab und an sagt mal einer einen kurzen Satz. „Wat quaken die denn andauernd?“ „Na, da wirft doch so`n Heini immazu wat in‘t Wassa. Wer weeß, wattet is. Imma rin in Teich, sieht ja keena!“ „Na, vielleicht is‘nt een Tierfreund. Vielleicht denkta, die ha‘m Hunga?“ „Na, der sieht aber nich aus, als wenna denkt!“

Ich denke aber im Vorbeigehen und muß lachen. Aber leise vor mich hin. „Sonst denkta noch, wat will die denn?“ Und dann fallen mir wieder so uralte Geschichten ein. Mein Vater war ja ein waschechter Berliner, obwohl er eigentlich nie berlinert hat. Meine Kinder berlinern bis heute nicht. Aber den Dialekt, die Schnelligkeit der Sprache und den stets unterschwelligen Humor haben sie auch drauf. Und ich habe immer gerne zugehört und ich habe es „auch drauf“, benutze es aber nur in bestimmten Situationen. Zum Beispiel (noch im Berufsleben) in den Handwerksbetrieben und auch bei den Urberliner Geschäftsleuten ist es noch üblich. Das nimmt sich, glaube ich, auch niemand wissentlich vor, das geht einfach ganz von selbst los.

Eine Urberliner Institution ist Adolph Glasbrenner gewesen, der Vater des Berliner Witzes, wie man ihn nannte. Er hat ihn nicht erfunden, der war schon da – aber er hat ihn aufgeschrieben und nicht gerade kultiviert, aber festgehalten. Auch Jonny Liesegang hat sich mit dem Festhalten des Berliner Dialektes verdient gemacht, Man unterscheidet schon den Jargon der einfachen Leute mit dem gewitzten und rasanten Dialekt. Ich habe keine Befürchtung, daß er aussterben wird.

Während Jonny Liesegang sich zwischen den kleinen Leuten herumtrieb und Augen und Ohren offen hielt, speziell in Wedding und Moabit denke ich, schrieb Glasbrenner hingegen viele Berliner Geschichten, war auch politisch sehr engagiert, und hatte unliebsame Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit. Na, ich bin ja mehr eine Geschichtenerzählerin als daß ich Geschichte erzähle, da werden sich die interessierten Berliner schon Möglichkeiten verschaffen, selbst ein bißchen in vergangenen Zeiten herumzustöbern. Zumindest ergibt sich dann meistens der sogenannte „Aha“ Effekt.

Ein Urberliner Original war auch der Eckensteher Nante. Noch als Kind, als wir in der Feilner Ritze wohnten, grölten wir gemeinsam „Eckensteher Nante geht zu seiner Tante, läßt  sich ein  Stück Kuchen geben,  sagt noch nicht mal Dankeschön!“
Der stand der Überlieferung nach in der Nähe einer Kneipe im Laufe des Vormittags und begrüßte den hellen Tag mit “Welt, jetz kannste wieda loslejen! Lebenslauf, ick erwarte dir.“

Und auch ein bißchen dem Volk auf‘s Maul geschaut und überliefert.

Der Kapitalist: Das Gold muß eine Menge Luft enthalten. Wie könnten sonst diese Kerle so aufgeblasen sein?

Mathematische Aufgabe: Wenn die Prügelstöcke für ein Volk anderthalb Elle lang und einen Zoll dick sind, wie lang ist dann der Geduldfaden dieses Volkes?

Um etwas zu gelten, müssen sich die Nullen immer hübsch rechts halten.

Die Edelhirsche schießt man tot. Den Schnüffelhunden gibt man Brot.

Jetz binnick aba müde, Nachti!

SPLITTER (48)

SPLITTER (48)

In den Weiten des Weltraums

Natürlich hatte man gerne utopische Geschichten gelesen und ein bißchen fantasiert, aber reale Vorstellungen hatten wir ja eigentlich nicht. „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“, „Die Reise um die Welt in achtzig Tagen“. Es war etwa so, als läse man Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. So richtig Geld für Bücher hatte man ja nicht, und in den Leihbüchereien war eigentlich auch nur Unterhaltungsliteratur zu finden. Aber natürlich waren wir Fans von Jules Verne.

An manchen Abenden saßen wir beim Schein einer Kerze und Kaffee, der inzwischen kalt geworden war, und natürlich gemütlich Zigaretten rauchend um den Couchtisch und erzählten uns was. Manchmal so etwas wie: „Weißt du noch…“ oder „Kannst du dich noch daran erinnern….“ Also entweder quatschten wir bis in die Puppen, oder wir schwiegen und lasen bis in die Puppen. Ab und zu steckte unsere Mutter, auch eine Nachteule, (sie hatte es mit den Kreuzworträtseln) den Kopf durch die Tür und sagte vorwurfsvoll: „Geht ihr den immer noch nicht schlafen?“

Na ja. Die Mondlandung hatte ich ja nun schon vorweggenommen. Aber immerhin waren wir damals fasziniert von einer in unseren Augen unglaublichen Unternehmung, und das war die Weltraumfahrt des Juri Gagarin, über die ja der Ostsender reichlich unterrichtete. Der Weltraumflug des Juri Gagarin fand im April 1961 statt. „Völlig losgelöst von der Erde…ist das Raumschiff.“ Wie es in einem Schlager heißt. Es wurde dokumentiert, daß er in 106 Minuten die Erde umrundet hatte. Mit einer Wostok Trägerrakete. Irgendwann mit irgendetwas beginnt immer wieder ein neuer Schritt in das Weltall.

Juri war ein relativ kleiner Mann, er maß nur 1 Meter 58 oder so, wie mein Vater. Juri Gagarin war bestimmt ein ungewöhnlicher Mensch und ein „verdienter Held des Volkes“, aber leider war es ihm nicht vergönnt, noch weitere Heldentaten zu begehen. Er war bei dem Absturz des Sojus 1 ums Leben gekommen, über dessen Ursache wohl noch immer Unklarheiten bestehen. So ist das gewöhnlich meistens mit den Abstürzen – die Ursachen sind selten völlig klar festzustellen und im Laufe der Zeit ranken sich Geschichten darum.

Er verunglückte am 27. März, und da habe ich Geburtstag.

Inzwischen gibt es bei der Raumfahrt und der Erkundung des Weltalls so viele Informationen, die ich sehr gerne verfolge aber nicht unbedingt immer verstehe. Aber es ist spannend und interessant. Ich finde, unsere Welt ist in einem belämmerten Zustand, zumindest, was die gegenwärtige Situation betrifft. Aber vielleicht eines Tages – ein ständiges Kommen und Gehen auf diesem Planeten – weiß man‘s?

SPLITTER (45)

Es drängt ans Tageslicht

Immer wieder tauchen Erinnerungen unerwartet aus der Vergangenheit auf.Vielleicht könnt ihr euch noch auf die alten Geschichten besinnen – als ich noch Kind war. Das habe ich oft beschrieben, wie ich unter unserem großen Esszimmertisch hockte, um zuzuhören, worüber sich die Erwachsenen denn unterhielten. Das war so mehr oder weniger meine Grundausbildung.

Heute hocken die Familien vor dem Fernsehgerät und reden keinen Ton; damals hockte man, zumindest bei uns zuhause, um den großen Esszimmertisch, der bequem Platz für zwölf Personen bot. Auf der Verstrebung, die wie ein zweiseitiges Ypsilon die vier wuchtigen Beine stützte, hatte ich mich oft, schon bequem im Schlafanzug, mucksmäuschenleise hingehockt und aufmerksam verfolgt, was man sich so zu erzählen hatte. Und das war viel. Ich glaube, sie wußten ganz genau, daß ich da saß, denn manchmal bin ich bestimmt vor Müdigkeit einfach runtergekullert und wurde in mein Bett getragen.

Bis zum Februar 1945, als wir total ausgebombt wurden, hatte ich eine erstklassige Ausbildung, zumal ich nun schon erheblich größer, aber noch Platz ausreichend unter dem Tisch vorhanden war. Man ließ es einfach geschehen, denn ich hütete mich, auch nur einen Mucks von mir zu geben. Da behandelte man weniger die Gegenwart, sondern mehr oder weniger die Jugenderinnerungen und Erinnerungen schlechthin der Erwachsenen. Da ein Teil der Familie aus Posen nach Berlin kam, drehten sich auch einige Geschichten um Leute, die ich nicht kannte, aber über die öfter mal erzählt wurde. Manchmal überrascht es einen eben, daß auch ältere Leute einmal jung gewesen sind. Und aus ihrem bisherigen Leben Ereignisse und Menschen beschrieben, die man inzwischen nur vom erzählen kannte und sich ein eigenes Bild formte.

In den unruhigen Zeiten waren einige bekannte Familien aus Posen nach Amerika ausgewandert, und man erzählte sich oft von den tragischen Situationen des Abschiednehmens. Damals flogen ja keine Linienflugzeuge hin und her, sondern viele Familien verließen die Heimat auf recht unbequemen Wege über das Meer. So kam eines Tages auch das Thema „Schiffsreisen“ auf‘s Tapet. Man sprach über die Katastrophe des Unterganges der „Titanic“. Ich glaube nicht, daß mich das besonders interessiert hätte, denn sonst wäre mir bestimmt wenigstens eine Kleinigkeit eingefallen. Viele Jahre später jedoch habe ich schon einige Gedanken darauf verschwendet.

Heute zum Beispiel: da war doch was? Ich weiß  nun nicht, ob es in den Medien auch einen
Niederschlag fand. Ich jedenfalls habe unter anderem ein ausgesprochenes Faible zu maritimen Themen. Vom 14. auf den 15.April 1912 zum Beispiel fuhr die „Titanic“ abseits der viel befahrenen Atlantikroute auf einen Eisberg, wobei etwa 1500 Menschen auf dramatische Weise ihr Leben lassen mußten. Das Drama beschäftigte viele Jahre die Medien, aber über Vermutungen und Spekulationen kam man nicht hinaus, was nun die tatsächliche Ursache dieses schrecklichen Ereignisses gewesen ist.

Erst im Jahre 1985 wurde das Wrack der „Titanic“ geortet, zweieinhalb Meilen unter der Meeresoberfläche, und somit erwachte auch wieder schlagartig das öffentliche Interesse. Es hat inzwischen bestimmt einige tausend Tauchgänge gegeben, aber man kann das Schiff nicht bergen. Es würde außerdem auch Unsummen verschlingen. Inzwischen wird nun aber versucht, diesen dubiosen Unglücksfall aufzuklären, und ich weiß nicht, was nun verbindlich und tatsächlich herausgekommen ist. Aber für selbsternannte Kriminologen wäre es ja eine schöne Freizeitbeschäftigung. Mal etwas anderes als Putin oder Griechenland. Und viele Leute hätten vielleicht mal ein Hobby außer zu raisonnieren.

Die Seefahrt ist eben nicht ganz ungefährlich. Fliegen schließlich auch nicht. Die  Fähre ESTONIA ging sozusagen in Minutenschnelle unter, im Indischen Ozean brach auf der ACHILLE LAURO ein Feuer aus. Dabei kamen zum Glück nur ein paar Menschen um. „Das Geheimnis der Mary Celeste“ hat mir schon als Teenager kalte Schauer über den Rücken gejagt. Und „Kapitän Hornblower auf allen Meeren“, das waren noch Zeiten. Gelesen, gelesen, gelesen – und dazu noch die Filme mit Gregory Peck. (Ach wie schade – es ist alles schon soooo lange her!)

SPLITTER (44)

Der Griff nach den Sternen

Mein Ingenieur stand schon ziemlich zeitig auf, weil er um 7 Uhr früh in der Fabrik sein mußte, wo er die Wartung und Instandhaltung der verschiedenen Verpackungsmaschinen unter sich hatte. Naturgemäß gab es in solchen Firmen überwiegend weibliche Angestellte, die im speziellen Falle alle einen Narren an ihrem Herrn und Meister gefressen hatten und sich auch nicht mit freundlichem Spott zurückhielten, über das absolut unstandesgemäße Fortbewegungsmittel zu mokieren. Das zehrte langsam am Selbstwertgefühl, und das Argument, daß die Kinder immer größer und die Tüten immer umfangreicher werden, war ja nicht einfach von der Hand zu weisen. Nun wurde mir die Eröffnung gemacht, daß wir zu Ostern, falls schönes Wetter ist, „mal rausfahren“ würden. Vielleicht doch nach Lübars, da waren wir ja lange nicht gewesen. Ich hatte zunächst wieder das Gefühl, daß mir die Gesichtszüge entgleisen, denn von Kreuzberg bis rauf in den hohen Norden von Berlin, und dann zu viert in diesem Ei. Ich überlegte schon angestrengt, ob ich vorsichtshalber eine Grippe bekommen könnte. Von den Kindern kam keine Reaktion, denn sie wußten eben nicht, wo sie Lübars vermuten sollen.

Und dann kam der Ostersonntag und die Glocken von der Kirche auf dem Lausitzer Platz hatten schon geläutet was das Zeug hielt. Unser Schatz holte uns ab, und unsere Mutter rief uns hinterher: „Und wann essen wir?“ Als wir vor die Haustür traten und ich mich vorher schon zu absolutem Schweigen verurteilt hatte, um keinen Streit vom Zaun zu brechen, wurden wir vor eine hellgrüne (Lieblingsfarbe) Ente geführt, in der wir nun stumm und lächelnd Platz nahmen und sogar die Füße ausstrecken konnten. Eine glückliche Kleinfamilie fuhr nun bei angenehmem Osterwetter hinaus ins Grüne. Und selbstverständlich fanden wir sogar ein Restaurant, wo man Apfelsprudel trinken konnte. Wie bei einer Sardinendose den Deckel, so konnte man auch das Verdeck öffnen, und das Oberteil der Seitenscheibe hochklappen. Zwei Zapfen schoben sich jeweils in ein Loch im Gummi, und wenn man an der Kreuzung bremste, fiel die Scheibe runter. Dann drückte ich sie wieder hoch. Das war ganz gut, da war man zunächst abgelenkt und dann aufmerksam, daß man bei der nächsten Kreuzung sofort zugriff, falls die Scheibe wieder runterfiel. Wenn man langsam an die Kreuzung heranfuhr, blieb die Scheibe nämlich oben. Aber einen Sportfahrer interessierten ja solche Kleinigkeit nicht. Bei dem neuen Fahrzeug hatte ich dann später auch ständig eine Strumpfhose bei mir – die wurde benötigt, falls mal etwas mit dem Keilriemen passiert.

Na ja, Mittagessen gab es nun zuhause mal später als gewöhnlich und wir erzählten von unserem Abenteuer. Leider paßte der 2 CV nicht durch die Ladentür, so daß nun, um Diebe und Randalierer keinesfalls zu häßlichem Tun einzuladen, nichts anderes übrig blieb, als den Motorblock auszubauen (Ingenieur). Dann blieb die leere Hülle vor der Ladentür stehen und im Laden, der Gottseidank geräumig war, schlummerte, von einem sauberen Sack abgedeckt, friedlich der Motor. Seltsamerweise blieben die Räder bzw. Reifen unbeschädigt. Natürlich mußte man ihn ja auch wieder einbauen, den Motor, aber glücklicherweise wohnten wir getrennt. Zwar nur durch einen Katzensprung, aber anders herum hätte unsere Beziehung bestimmt nicht so lange angehalten.

Ich arbeitete zu der Zeit am Erkelenzdamm, und manchmal parkte unsere Ente vor der Tür. Daneben parkte eine imposante Kutsche, mit welcher der Besitzer des riesigen Gebäudes, von einen livrierten Chauffeur vorgefahren wurde und zwangsweise neben uns parkte. Das gefiel dem Chauffeur überhaupt nicht. Aber als der KFZ – Besitzer zufällig hinzukam, erlaubte er lächelnd mit einem freundlichen Kopfnicken, daß wir, also ich und mein Ingenieur, selbstverständlich neben ihm parken dürfen. Es war noch das Zeitalter der Kavaliere und der Herren – leider verschwand es dann eines Tages ganz von der Bildfläche.

SPLITTER (43)

(Dann fällt einem alles wieder ein.)

Die Kinder waren noch klein, deshalb paßten sie auch in das Auto rein. Mein selbstgewählter Familienvorstand befand, daß man ein Fortbewegungsmittel benötigt, damit man nicht immer die Einkaufstüten tragen muß und auch mal schneller ins Kino kommt. Also stand da eines Tages eine grüne Isetta vor der Tür. Mein Gesicht wurde offensichtlich länger, aber „schlecht gefahren ist besser als gut gelaufen“ wurde ich belehrt. Mein Bruder hatte inzwischen einen Führerschein und einen alten Opel, damit fuhren wir am Wochenende raus oder irgendwohin, je nach Wetterlage. Manchmal blieb der Opel stehen. Dann benutzten wir die öffentlichen Verkehrsmittel, um wieder nachhause zu kommen.

Da mein Bruder in unserer Straße seine Arbeitsstelle hatte, stand der Opel vor der Haustür, und weil mein Bruder von Autos soviel Ahnung hatte wie vom Fallschirmspringen, war das Auto mehr oder weniger Ansichtssache. Inzwischen gesellte sich ein dunkler VW, ich glaube sogar schwarz, von einem Nachbarn hinzu, der relativ of benutzt wurde, im Gegensatz zu unseren Fahrzeugen, die vorzugsweise einen dekorativen Charakter hatten. Immerhin – in unserem Straßenabschnitt parkten somit zwei Autos und eine Isetta.

Unsere Mutter stieg weder in das eine noch in das andere Fahrzeug, sondern lief die meisten Wege zu Fuß und benutzte im Extremfall die Hochbahn. Obwohl sie also sozusagen eine unbeteiligte Person war, sparte sie nicht mit Vorträgen, guten und schlechten Beispielen und haderte wieder mit den Gegebenheiten, welche auch immer gerade aktuell waren. „Daß das wieder hat kommen müssen!“ war einer ihrer Lieblingssätze, denn mit diesen fahrenden (wenn sie fuhren) „Vehikeln“ war ja nun kein Staat zu machen. Im Gegensatz zu „früher“, da war ja alles ganz anders. Ja stimmt, mit den Autos von Mamas Bruder war wirklich Staat zu machen, aber diesen Staat gab es ja nun mal auch nicht mehr. Und diese Isetta – also irgendwie gewöhnte man sich daran. Ein Fahrer, eine Beifahrerin, zwei kleine Kinder und zwei volle Einkaufstüten – und sparsamer Spritverbrauch. Was will man mehr? Da sowieso kaum ein Auto auf den Straßen war, hatte man sozusagen durchweg freie Fahrt.

Ein befreundetes Ehepaar, mit dem wir immer Karten spielten (Doppelkopp), wohnte in der Manteuffelstraße, ich glaube Nummer eins. Da gab es auf dem Hof noch einen Kuhstall, und es stank natürlich bis in die oberste Etage. Da brachten die Leute noch ihre Kartoffelschalen und Gemüseabfälle hin, bekamen ein bißchen Brennholz zum Feuer anmachen und tauschten Brennholz für Kartoffelschalen. Na jedenfalls, der Hausherr hatte einen Bekannten, der bei der Polizei KFZ Schlosser war und dieser Mensch wäre bereit, den Opel mal einer richtigen Durchsicht zu unterziehen. Also tat er das in den nächsten Tagen, lag mal unter dem Auto und mal oben drauf, mal mit geöffnetem Kofferraum, mal mit geöffneter Motorhaube, glänzte vom Gesicht bis an die Zehen (dachte ich mir) nach Öl und Wagenschmiere. Wuchtete Reifen hin und her und hantierte mit dem Werkzeug. Er kniete auf einem alten zerissenen Sack und sah sich alles innen und außen genau an und das Werkzeug klapperte auf dem Gehsteig. Es fanden sich auch Zuschauer ein, und es waren einige darunter, die A h n u n g hatten. Damals hatte man ja noch Winker am Auto, das war auch sehr lustig. Die Winker funktionierten, und die Hupe auch.

Also beschafften wir uns etwas zu trinken und ein paar Stullen und fuhren nun zur Probe rund um Berlin, soweit man das damals konnte. Getankt hatten wir auch, trotzdem versagte die Karre in Zeitabständen immer wieder den Dienst. Der Fachmann zerbrach sich den Kopf, was mit der Kiste los war, und ab und zu leistete uns ein gütiger Schutzmann Gesellschaft, um hilfsbereit verschiedene Vorschläge zu machen. Mein Vorschlag wäre gewesen, die Kiste auf den Schrottplatz zu fahren und ein „Auto“ zu kaufen, nur woher nehmen wir das Geld, nicht wahr.

Eines Tages, nach vielen Mühen und vielen guten Ratschlägen, speziell auch vom Isetta-Fahrer, der immerhin Ingenieur war, hatte er uns wirklich den Gefallen getan und fuhr. Der Ingenieur bewohnte sozusagen eine Ladenwohnung, weil man in den meisten Häusern diese kleinen Läden nicht mehr als solche nutzte. Da zogen so unternehmungslustige Singles ein. Im hinteren Teil war es eigentlich ganz gemütlich, gab sogar eine Küche und ein etwas antiquiertes Badezimmer mit einem Kohleofen, aber damit die Isetta nachts nicht unbeobachtet in dieser wüsten Gegend rund um den Lausitzer Platz Schaden erlitt, wurde sie durch die Ladentür gezwängt und paßte tatsächlich knapp hindurch, und konnte dann friedlich den nächsten Morgen abwarten. Der glückliche und talentierte Besitzer nahm sie auch gerne mal ziemlich auseinander und mitunter ergaben sich ja wirklich solche Fragen wie: was gehört denn nun wo hin? Da entfernte ich mich dann gerne und kehrte heim zu meiner Mama und den Kindern, denn sie hörten gerne Märchen, und dann erzählte ich ihnen was. „Wird das Auto wieder gesund?“ Für die Kinder war die Isetta ein Auto. Haha! „Na, das wollen wir mal hoffen!“ Doch doch, sie wurde. Sie hat den zahlreichen Untersuchungen kernig widerstanden.

Mal fuhr das eine nicht, mal fuhr das andere nicht. Aber die Hochbahn fuhr zuverlässig und nach Fahrplan. Wenigstens etwas. Man hat ja von Jugend auf gelernt, sich zu bescheiden.

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