SPLITTER (36)

Faulheit laß nach

In letzter Zeit habe ich wenig geschrieben; eigentlich so gut wie überhaupt nicht. Leider purzeln die Gedanken ja nicht von alleine auf‘s Papier. Genaugenommen habe ich überhaupt nichts vollbracht – was du heut‘ nicht mußt besorgen, das verschieb‘ auf übermorgen. Also, es gab ja eine ganze Reihe übermorgen – nun muß aber mal Schluß sein. Ich war ja auch immer in Wartehaltung. Kommt nun der Winter oder kommt er denn nun nicht? Also, er kam nicht, nur drei Mal kleckerweise für eine Nacht. Anderntags war er wieder weg.

Nun habe ich mich aber reingekniet – ich habe meine Bücherregale aufgeräumt – war ja mal wieder alles durcheinander. Jetzt herrscht aber Ordnung. Es hat ja auch ein paar Tage gedauert, denn ich habe eine Menge aussortiert und auch einige schon mal in die erste Reihe gestellt. Ich habe ja wirklich alle gelesen und habe dafür zweiundsechszig Jahre gebraucht. Nun werde ich wieder von vorne anfangen. Muß eben bißchen schneller lesen. (Oder mal paar Seiten überspringen).

Also zunächst habe ich mal mit alten Lieblingsbüchern begonnen. Ein paar habe ich schon griffbereit auf dem Couchtisch arrangiert. Dann zünde ich mir abends die Kerze an, mache die Deckenlampe aus und die Stehlampe an (dann knallte die Birne durch und ich mußte erst mal wieder eine neue finden). Ausnahmsweise fand ich sie an gewohnter Stelle.

Nicolas Remin: „Venezianische Verlobung.“ Ein sehr spannender historischer Kriminalroman um das Geschehen um Erzherzog Maximilian, der Kaiser von Mexiko
werden sollte und um den Mord an seiner Geliebten. Mit seinem Bruder, dem Kaiser von Österreich, steht er auf Kriegsfuß. Viel Politik, viel Geschichte, viel Intrigen, daneben die noch ausstehende Heirat zwischen Commissario Tron, der eigentlich auch ein Fürst ist, aber verarmt, und seiner Verlobten, der Principessa Montalcino. Ja, da bin ich dran geblieben, denn es ist zügig und sehr spannend und detailgetreu geschrieben. Hat mich w i e d e r aufgeregt und angeregt.

Gabriel García Márquez: „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“.Eine große Liebesgeschichte. Es geht um ein altes Ehepaar, dessen Ehe schon fünfzig Jahre währt und trotzdem noch irgendwie funktioniert, trotz eines langjährigen Verehrers der Frau in ungebrochener Zuneigung, Florentino Ariza. García Márquez hat einige sehr lesenswerte Romane geschrieben, darunter „Hundert Jahre Einsamkeit“. „Der Herbst des Patriarchen“. Er bekam 1982 den Nobelpreis für Literatur. Das ist auch ein Buch, das ich schon liebe, wenn ich es nur in die Hand nehme.

Peter Hoeg: „Fräulein Smillas Gespühr für Schnee“ Das Buch hatte ich zuerst gelesen, dann habe ich den Film gesehen. Der hielt sich weitgehend an das Buch. Der Film war beeindruckend, und ebenso die Handlung. Auch hier wieder emotionale Spannung. In Dänemark haben es Grönländer nicht leicht. Habe ich auch gerade bei Halldór Laxness gelesen in der Islandglocke. Smilla Jaspersen ist die Tochter einer grönländischen Jägerin. Es ist ein unglaublich spannender Roman, den man einfach gelesen haben sollte und der streckenweise im ewigen Eis spielt. Der Roman wurde von August Bille verfilmt.

Zur Zeit lese ich von Christoph Ransmayr „Die letzte Welt“ Durch den Imperator Augustus für alle Zeit verbannt nach Tomi am schwarzen Meer wird Ovid, der umstrittene römische Dichter. Auch durch Augustus Nachfolger wurde die Verbannung nie mehr aufgehoben. Cotta, ein Römer, macht sich auf nach Tomi ans Schwarze Meer, um das verschollene dichterische Werk „Metamorphosen“ aufzufinden, das von Ovid aber verbrannt und vernichtet wurde, Spurensuche… Metamorphosen, die letzte Welt, Parallelen – sehr interessant, bißchen anstrengend, aber gleichsam mal wieder eine gedankliche Rückkehr in meine heißgeliebte „Römerzeit!“

George Orwell „Coming Up For Air“ ( Deutscher Titel: „Das verschüttete Leben“) Hatte ich vor einiger Zeit begonnen, bin dann aber woanders gelandet. Also, wenn ich mit Ovid abgerechnet habe, äh, wenn ich Ransmayr ausgelesen habe, werde ich mich um George kümmern. D.h., mal sehen, was er hier so von sich gibt.

Ich sollte ja auch mal wieder etwas dichten. Kein Imperator in Sicht, der mit Verbannung droht o.Ä.